Coronavirus
Mit Elena Quirici auf der Achterbahn der Gefühle

Erst die Olympiaqualifikation, dann die Verschiebung der Sommerspiele. Die Aargauer Karatekämpferin Elena Quirici erlebt aufregende Tage und wird aufgrund der Coronakrise zur Improvisationskünstlerin.

Martin Probst
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Elena Quirici will die Schweiz an den Olympischen Spielen vertreten – einfach ein Jahr später als geplant.

Elena Quirici will die Schweiz an den Olympischen Spielen vertreten – einfach ein Jahr später als geplant.

BORIS RADJENOVIC

Die Gefühlsachterbahn fährt Sonderschichten: Erst wird klar, dass sich Elena Quirici für die Olympischen Spiele qualifiziert hat, dann werden die Sommerspiele in Tokio um ein Jahr verschoben – und jetzt lässt der internationale Karateverband seine Athletinnen und Athleten im Ungewissen, ob nun die Olympiaqualifikation auch für 2021 geschafft ist oder nicht. Und das alles in nur einer ­Woche. Als Gefühlschaos beschreibt Quirici die vergangenen Tage.

Doch der Reihe nach: Als die letzten Qualifikationswettkämpfe aufgrund der welt­weiten Massnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus abgesagt wurden, entschied der internationale Karateverband, die aktuellen Olympiarankings zu werten. Und somit war klar: Elena Quirici hat es geschafft. Die 24-jährige Aargauerin darf in Tokio, wenn Karate seine olympische Premiere feiert und als Randsportart ins grosse Schaufenster tritt, dabei sein. Welch eine Ehre. Und welch ein Lohn für Jahre voller Leidenschaft und unermüdlicher Ausdauer.

Aus einem teuren Profijahr werden plötzlich zwei

Durch die Verschiebung der Spiele bestünde nun aber die Möglichkeit, die ausgefallenen Wettkämpfe nachzuholen. «Ich hätte schon sehr gerne Ge­wissheit», sagt Quirici. Verständlich – ist doch das Extrajahr weit mehr als ein verlängertes Warten auf den grossen Traum. Zuviel hängt daran. Gerade in der Coronakrise, die auch Sportlerinnen und Sportler hart trifft.

So beschäftigt Quirici einen Trainer, den sie derzeit nicht ­sehen kann. Und ja: Es geht – wie in so vielen Bereichen – um Geld. «Ich habe mich vor einem Jahr entschieden, für meinen Olympiatraum ein Jahr als ­Profisportlerin zu leben. Nun verlängert sich dies um ein Jahr. Das ist finanziell nicht einfach so realisierbar», sagt die Aargauer Sportlerin.

Gemeinsam mit ihrem ­spanischen Freund Raul Cuerva Mora ist Quirici zwei Tage, bevor Spanien eine Ausgangssperre verhängte, aus ihrem Zweit­domizil in den Kanton Aargau gereist. «Dass wir in die Schweiz kommen, war schon länger geplant. Als sich die Coronakrise zuspitzte, haben wir aber einen früheren Flug gebucht. Ich bin froh, dass wir noch abreisen konnten.»

In Schinznach-Dorf, wo ­Quiricis Familie lebt, ist nun Improvisationstalent gefragt: Kurzerhand wurde eine wettkampftaugliche Kampffläche aufgebaut und vom Fitnesscenter Windisch konnte die ­Aargauerin Sportlerin des Jahres einige Gewichte ausleihen. «So haben wir im Moment eigentlich alles, was es braucht.» Denn eines ist klar: Ausruhen geht trotz Krise nicht. Quirici will und muss in Form bleiben. Niemand weiss, wie lange der Stillstand dauert. «Und wenn es losgeht, will ich bereit sein.» Quiricis Vorteil ist, dass auch ihr Freund Karatekämpfer ist.

Einsätze für die Spitex und ältere Menschen

So hat sie weiterhin einen ­Trainingspartner, während ­anderen der Kontakt zu Teamkollegen verboten ist. «Weil wir im gleichen Haushalt wohnen, sind wir ja sowieso zusammen und es ist erlaubt. Ich weiss, dass ich mich in einer privilegierten Lage befinde.» So sehr sie die Ungewissheit belastet, so viel Verständnis bringt Quirici für die Massnahmen auf. «Es geht nun darum, die Krise zu über­stehen», sagt sie. «Und ich will den Leuten in meinem Umfeld helfen, zum Beispiel verteile ich für die Spitex Mahlzeiten und erledige Einkäufe für ältere Menschen.»

Und etwas teilt Quirici mit vielen Menschen: Die Sehnsucht nach Dingen, die man gerade nicht hat, ist oft am grössten. So vermisst sie nicht nur den Wettkampf, sondern auch die vielen Reisen. «Es ist ja schon speziell, so oft habe ich mir gewünscht, etwas mehr zu Hause zu sein. Jetzt kann ich es und schon beginne ich, mich zu langweilen. Ich probiere jedoch, mich anderen Sachen zu widmen und meinem Körper und Kopf Erholung zu gönnen.» Und trotzdem: Eine Achterbahn macht eben nur Spass, wenn sie in Bewegung ist.