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Sport (AZ, BT)
Die Geschichte wiederholt sich: Wie schon vor 16 Jahren verliert der FC Aarau im Cup-Halbfinal gegen den FC Luzern mit 1:2. Besonders bitter an dieser Niederlage: Für die Entscheidung sorgt ausgerechnet der ehemalige FCA-Spieler Varol Tasar.
Fast verpasst er das obligate Jubelfoto mit den Teamkollegen, im letzten Moment rutscht er noch ins Bild, ehe er zum nächsten Interview muss: Varol Tasar. Ja genau der Tasar, der im Juni 2019 den FC Aarau in seiner schwersten Stunde als Fussballer verlassen hat: Als Nicht-Aufsteiger, obwohl das Barrage-Hinspiel gegen Xamax 4:0 gewonnen wurde.
Zwei Jahre später kehrt er mit dem FC Luzern als Gegner zurück aufs Brügglifeld. Um in den Final zu ziehen – aber auch, um Frieden zu schliessen mit dem Brügglifeld.
Es gelingt ihm – und wie: Eingewechselt in der 59. Minute, vernascht er 15 Minuten später FCA-Verteidiger Bastien Conus auf dem Radius eines Bierdeckels, zieht ab und sieht den noch leicht abgefälschten Ball ins Tor fliegen.
2:1 für die Gäste, die Teamkollegen stürzen sich auf den 24-Jährigen, auf ihren Superjoker, der zum fünften Mal in dieser Saison ein Spiel auf diese Weise entscheidet. Doch Tasar hebt die Hände, verzieht keine Miene, als wolle er sagen: «Sorry Aarau!»
Wirklich? «Natürlich freue ich mich über das Tor und über den Finaleinzug. Aber ich habe gemischte Gefühle, ja, fast ein schlechtes Gewissen. Jubeln wäre respektlos gewesen. Aarau hat mich damals zum Profi gemacht, ich hatte drei wunderschöne Jahre hier in der FCA-Familie.»
Nach Spielschluss hat Tasar sich lange mit Aarau-Captain Olivier Jäckle unterhalten – worüber? «Ich habe ihm gesagt, dass Aarau einen super Fussball spielt und dass ich mir wünsche, dass der Klub bald in die Super League zurückkommt. Alle hier, von den Spielern über den Trainerstab bis zu den Fans, hätten das verdient.»
Bestimmt lobt Tasar seinen Ex-Klub nicht nur aus Nächstenliebe. Denn was der unterklassige FC Aarau in den 93 Minuten zuvor abliefert, hat sehr wohl Super-League-Format. Ein Klassenunterschied? Nicht erkennbar.
Und so ist beim Heimteam nach dem Abpfiff die Enttäuschung über das Ausscheiden genauso gross wie der Stolz über den Vorstoss als einziger Challenge-League-Klub in den Halbfinal.
Am längsten zu beissen an der Niederlage wird wohl Mickael Almeida haben – und sich dabei immer wieder die Frage stellen: «Warum ist dieser Ball nicht ein paar Zentimeter weiter links am Pfosten gelandet und von dort im Tor?»
Die Szene in der 78. Minute hat Kultcharakter: FCL-Goalie Marius Müller will einen Konter lancieren, trifft dabei aber den Rücken eines Verteidigers und von dort prallt der Ball zu Almeida, der geistesgegenwärtig reagiert, aber eben, seine Direktabnahme vom Pfosten zurück ins Feld fliegen sieht.
Das war sie, die grosse Chance auf das 2:2. Es wäre der glückliche, aber verdiente Lohn gewesen für einen starken Auftritt: Wer dachte, das frühe 0:1 in der 4. Minute durch Ndiaye nach einem Fehler von Conus wäre Gift für die Aarauer, der sah sich getäuscht. Nach dem Motto «Jetzt erst recht» powert die Mannschaft unbeeindruckt nach vorne und erzielt bereits in der 9. Minute durch Almeida das 1:1.
Und dann folgt die Phase, in der die Aarauer rückblickend das Spiel verlieren: Bis zur 25. Minute sieht Luzern keinen Stich, wird von entfesselten Aarauern eingeschnürt und muss sich bei Goalie Müller bedanken, dass es beim 1:1 bleibt.
Aus Sicht der Aarauer hat diese Phase etwas Symptomatisches: Obwohl sie das treffsicherste Team der Challenge League sind, ist die Chancenverwertung der grosse Schwachpunkt. Mit mehr Effizienz stünde der FCA in der Liga wohl längst auf dem Barrageplatz – und vielleicht seit dem Dienstagabend auch im Cupfinal.
Doch so tritt ein, was befürchtet werden musste: Mitte der zweiten Halbzeit geht den Aarauern die Kraft aus, der FCL übernimmt das Zepter und ist beim Lattenschuss von Pascal Schürpf dem 2:1 bereits sehr nahe, ehe Tasar auf den Plan tritt und das vorgeschriebene Hollywood-Drehbuch in die Tat umsetzt.
Apropos: Der FC Aarau hat weiterhin die Chance auf ein filmreifes Saisonende – sprich die Qualifikation für die Barrage. Dafür braucht es wohl vier Siege in den verbleibenden vier Ligaspielen gegen Schaffhausen, Kriens, Thun und Stade Lausanne-Ouchy. Wunschdenken? Vielleicht – aber voreilig abschreiben sollte man diese Aarauer Mannschaft nicht. Schon gar nicht nach diesem heroischen Fight im Cup-Halbfinal.
Brügglifeld. - 100 Zuschauer. - SR: Schärer. - Tore: 4. Ndiaye 0:1. 9. Almeida 1:1. 74. Tasar 1:2.
Aarau: Enzler; Giger, Thiesson, Bergsma, Conus; Balaj (77. Aratore), Jäckle, Hammerich (77. C. Schwegler), Spadanuda (62. Stojilkovic); Almeida, Rrudhani.
Luzern: Müller; S. Schwegler (69. Grether), Burch, Knezevic, Frydek; Ndiaye, Ugrinic, Wehrmann, Schürpf; Schaub (59. Tasar), Sorgic.
Bemerkungen: Aarau ohne Schindelholz (krank), Gashi, Peralta, Qollaku, Thaler, Verboom (alle verletzt), Caserta, Hajdari, Hasani und Schneider (alle nicht im Aufgebot). Luzern ohne Binous, Ndenge, Schulz (alle verletzt), Alounga, Balaruban, Bürki, Carbonell, Jacot, Lang, Monney, Owusu und Radtke (alle nicht im Aufgebot). - 69. C. Schwegler verletzt ausgeschieden. 71. Lattenschuss Schürpf. 78. Pfostenschuss Almeida. - Keine Verwarnungen.