Curling-EM
In der Zukunft angekommen: Wie die EM-Medaille das Team Schwaller auf ein neues Level hebt

Die beiden Curlingspieler Marcel Käufeler und Romano Meier bewegen sich dank ihrer EM-Silbermedaille auf unbekanntem Terrain. Zum ersten Mal konnten sie auf der ganz grossen Bühne auftrumpfen und so die langst fällige Erfahrung in der Elitewelt sammeln.

Larissa Gassmann
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Gleich bei seiner ersten EM-Teilnahme konnte das Team Schwaller bestehend aus Skip Yannick Schwaller, Michael Brunner, Romano Meier und Marcel Käufeler (l.) überzeugen.
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Dank seinem Sieg gegen Dänemark konnte das junge Team bei seinem Debüt in den Final einziehen. Seit 24 Jahren hatte dies kein Schweizer Team mehr geschafft.
Curling-EM (25.11.2019)
«Im ersten Moment sind wir natürlich Sportler und wollten Gold gewinnen. Es war schon hart», sagt Käufeler.
Ähnlich sieht dies bei Romano Meier aus: «Anfänglich war die Enttäuschung gross, aber mit etwas Abstand können wir stolz sein auf diese Leistung.»
Das Turnier hat die Gruppe reifen lassen. Selbst im Final blieben die vier Curler ruhig und scherzten trotz ihrem frühen Rückstand weiter.
Anders als in der Round Robin, wo sich die vier selbst aus den schwierigsten Situationen befreien konn-ten, fehlte letztlich vor allem sportlich das Zünglein an der Waage.
Rückblickend würde das Team gewisse Dinge anders angehen. Trotzdem ist man mit dem Turnierverlauf zufrieden, selbst wenn das Ganze einer Achterbahnfahrt glich.
«Mental ist das extrem anspruchsvoll. Solange du aber in deinem Prozess bleibst, wird das bestmögliche Resultat herauskommen. In unserem Fall war das die Silbermedaille», sagt Käufeler.
Diese ist ein Versprechen für die Zukunft. «Wir werden alles dafür geben, dass es so weitergeht», sagt Meier.

Gleich bei seiner ersten EM-Teilnahme konnte das Team Schwaller bestehend aus Skip Yannick Schwaller, Michael Brunner, Romano Meier und Marcel Käufeler (l.) überzeugen.

Keystone

Mehrmals bleiben die Passagiere am Zürcher Flughafen verwundert stehen. Das grosse Empfangskomitee, das munter kleine Schweizer Fahnen schwenkt, zieht die Leute in den Bann. Immer wieder wird nachgefragt, wer denn überhaupt so frenetisch begrüsst wird.

Erst als sich die Schiebetüren der Empfangshalle endlich öffnen, ist auch der letzte Anwesende darüber aufgeklärt worden, dass die Schweizer Curler des Team Schwallers im Anmarsch sind.
Doch während alle um sie herum im Jubeltaumel versinken, finden die beiden Aargauer Romano Meier und Marcel Käufeler gleich wenige Minuten nach ihrer Ankunft kritische Worte.

Bevor sie darauf angesprochen werden können, ob mit der Medaille auch etwas Wehmut über die Finalniederlage gegen Schweden mitschwingt, bringen Sie ihre Enttäuschung gleich selbst zur Sprache. «Ich glaube, wir sind langsam soweit, dass wir uns wirklich darüber freuen können. Im ersten Moment sind wir natürlich Sportler und wollten Gold gewinnen. Es war schon hart», sagt Käufeler als Erstes.

Mit Lockerheit den Widrigkeiten getrotzt

Auch der aus Ehrendingen stammende Romano Meier lässt sich die Ernüchterung anmerken: «Anfänglich war die Enttäuschung gross, aber mit etwas Abstand können wir stolz sein auf diese Leistung. Wir sind uns absolut bewusst, dass es keine Selbstverständlichkeit ist, nach so einem Anlass ein Medaille heimzubringen.»

Tatsächlich ist Teamchef Yannick Schwaller der erste Schweizer Skip seit 24 Jahren, der auf der ganz grossen Bühne als Debütant in den Final vorstossen konnte. Die an der EM gesammelten Erfahrungen dürften nicht nur deswegen ein neues Selbstverständnis geschaffen haben. Selbst der frühe Finalrückstand konnte das Team nicht aus der Ruhe bringen.

«Wir wussten, dass es schwierig wird. Ich glaube, man hat uns aber angesehen, dass wir das Ganze mit einer gewissen Lockerheit genommen haben und es doch immer weiter probiert haben. Solange du kämpfst, glaubst du auch daran, dass du es schaffst», erklärt der Wettinger Käufeler. Trotz der schwierigen Lage fielen die Curler in der Tat immer wieder durch ihre Scherze auf.

Ausgebliebener Geniestreich, fehlende Konstanz

Anders als in der Round Robin, wo sie sich selbst aus den schwierigsten Situationen befreien konnten, blieb der Geniestreich im Final allerdings aus. Laut Meier würde das Team rückblickend dennoch kaum etwas an seinem Vorgehen ändern.

Einen Kritikpunkt hat er trotzdem: «Wir müssen sicherlich noch konstanter werden, die vorhergehenden Spiele früher beenden, damit wir auch Ende Woche noch Energie haben.» Dass das Turnier von Anfang an einer Achterbahnfahrt gleichen würde, war allen vier bewusst.

«Mental ist das extrem anspruchsvoll, aber wir sind mit einem klaren Plan angetreten und dann spielen die einzelnen Resultate letztlich keine Rolle. Solange du in deinem Prozess bleibst, wird das bestmögliche Resultat herauskommen. In unserem Fall war das die Silbermedaille», sagt Käufeler.

Die angepeilte Sammlung ist eröffnet

Das Stück Edelmetall steht sinnbildlich für die so oft prophezeite strahlende Zukunft des Teams, das nun endlich die von allen Seiten bemängelte fehlende Erfahrung sammeln konnte. Sie ist das Versprechen einer Zeit, die für die vier Talente nicht schnell genug eintreten konnte.

Ihre erste Medaille soll mehr als nur die angepeilte Sammlung eröffnen. «Wir werden alles dafür geben, dass es so weitergeht. Wir wissen, wie viel es braucht, um Derartiges zu erreichen. In dieser Woche hat sehr viel gepasst, das stimmt uns optimistisch», sagt Meier.

Dass von diesem Team noch einiges zu hören sein wird, dürfte an diesem Abend in Zürich allen bewusst sein. Auch, dass beim nächsten Mal wohl nicht mehr lange erklärt werden muss, wer diese vier Talente überhaupt sind.

Team Tirinzoni und die Bronzemedaille: Mehr als nur ein Trostpreis

Trotz Weltmeistertitel muss sich das Team rund um Skip Silvana Tirinzoni nach dem verlorenen Halbfinal gegen Schottland mit der Bronzemedaille gegen Russland begnügen. Von einem enttäuschenden Turnier will Tirinzoni trotzdem nichts wissen. «Wenn das ultimative Ziel nur der EM-Titel ist, dann kann man das schon so sehen. Aber so haben wir das nicht empfunden. Die Medaille ist mehr als nur ein Trost», sagt Tirinzoni. Besonders die starke Round Robin, welche die Schweizerinnen als bestes Team abschliessen konnten, sorgt bei ihr für Stolz. Viel ändern würde sie auch im Nachhinein nicht: «Wir haben sicher im entscheidenden Moment einen Fehlstein gehabt. Aber wir würden taktisch wahrscheinlich nicht gross etwas anders machen, obwohl das Ganze natürlich schon sehr defensiv gehalten war. Ich glaube es kann uns nicht viel vorgeworfen werden.»