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Sport (AZ, BT)
Im lettischen Sigulda erfolgt an diesem Wochenende der Auftakt zum Bob-Weltcup. Mit dabei ist die Beriker Pilotin Melanie Hasler. Sie strebt zusammen mit ihrer Anschieberin Jasmin Näf den nächsten Schritt in Richtung Weltspitze an. Gut vorbereitet – und mit einem neuen Schlitten. Marcel Kuchta
Lettland oder Norwegen? Weltcup oder Europacup? Flugzeug oder Auto? Positiver oder negativer Coronatest? Die letzten paar Wochen im Sportlerleben der Melanie Hasler waren geprägt von offenen Fragen, wechselnden Szenarien, neuen Ausgangslagen. Nun fängt die neue Bobsaison für die 22-jährige Berikerin an. Und zwar in Lettland. Im Weltcup. Die Anreise erfolgte per Auto. Und die Corona-Tests? Die lauern quasi täglich darauf, den Athleten einen Strich durch die Rechnung zu machen.
15 Stunden, verteilt auf zwei Tage, dauerte der Transfer von Altenberg, an der Grenze zu Tschechien, nach Sigulda in Lettland, wo der Auftakt zur Weltcup-Saison erfolgt. Normalerweise wird nur das Material per Auto von A nach B transferiert. Nun sorgte die Corona-Pandemie dafür, dass viele Flüge gestrichen wurden. Ergo musste Melanie Hasler und das ganze Schweizer Bobteam, das in Ostdeutschland im Trainingslager weilte, den beschwerlichen Weg ins Baltikum auf vier Rädern auf sich nehmen.
Wenn man den Erzählungen von Melanie Haslers Abenteuern lauscht, dann ist da auch immer wieder das fröhliche Lachen zu hören. Klagen über die komplizierte Situation? Nörgeln über die unbequeme Anreise? Hadern mit der Ungewissheit? Bei der Aargauerin Fehlanzeige! Man merkt, dass bei Hasler die riesige Freude über ihre erste, komplette Weltcup-Saison bei weitem überwiegt.
Schliesslich wusste sie bis vor ein paar Wochen noch nicht einmal, dass sie diese Wettkämpfe auf höchster Stufe regelmässig – und soweit es die epidemiologische Lage zulässt – bestreiten darf. Doch dann überzeugte die Pilotin zusammen mit ihrer Passagierin Jasmin Näf in den internen Ausscheidungsrennen im Trainingslager. Zusammen mit den coronabedingten Anpassungen des Wettkampfkalenders wurde schnell klar: Das Duo Hasler/Näf wird die Schweiz zusammen mit dem routinierten Paar Martina Fontanive/Nadja Marie Pasternack heuer auf der höchsten Leistungsstufe vertreten.
Melanie Hasler geht erst in ihre zweite Saison als Bobpilotin. Sie ist also – bobtechnisch gesehen – immer noch ziemlich grün hinter den Ohren. Deshalb ist klar, worum es der Quereinsteigerin – sie spielte lange Zeit Volleyball – primär geht: «Wir müssen so viel Erfahrung wie möglich sammeln. Je mehr wir fahren können, umso mehr können wir profitieren.»
Apropos Erfahrung: Die muss das Schweizer Frauen-Duo heuer mit einem neuen Schlitten sammeln. In einer Sportart, in welcher es um Hundertstelsekunden geht, entscheiden nicht nur Athletik (beim Start) und die Fahrtechnik der Pilotin. Sondern eben auch das Material. Hasler sagt: «Wir wussten, dass unser Bob nicht auf Weltcup-Niveau reicht. Es ist schade, wenn man deswegen immer hinterherfährt.» Also kratzte die Pilotin im Sommer das nötige Geld zusammen und kaufte sich ein neues Gefährt, welches auf höchstem Niveau mithalten kann. Der Kostenpunkt? Schlappe 50000 Euro. Ein Betrag, den man nicht eben so einfach verfügbar hat. Natürlich auch die Aargauerin nicht. Ein grosszügiges Darlehen der Eltern, die eigenen Ersparnisse, Beiträge von Gönnern und Sponsoren sowie weitere Unterstützungskanäle machten es möglich, dass Melanie Hasler sich den Wunsch nach einem neuen Schlitten erfüllen konnte.
Dass sie solche Unterstützung aus ihrem Umfeld erfährt, ist indes kein Zufall. Melanie Hasler macht keinen Hehl aus ihren Ambitionen. Die Teilnahme an den Olympischen Spielen ist ihr grosses Ziel. Wenns geht, schon 2022 in Peking. Oder sonst halt vier Jahre später. Sie lässt keine Zweifel offen, dass sie diesem Traum in den kommenden Jahren alles unterordnen wird. Und geht mit dem entsprechenden Ehrgeiz ans Werk.
Die Basis für eine erfolgreiche Saison, die aufgrund der Corona-Wirrungen übrigens nicht für die Olympia-Qualifikation angerechnet wird, konnte die Berikerin bereits im Sommer legen. Sie durfte die Sportler-Rekrutenschule absolvieren und damit 18 Wochen lang unter hochprofessionellen Bedingungen trainieren. Melanie Hasler sagt: «Das war die beste Saisonvorbereitung, die ich je gemacht habe. Ich konnte noch nie so intensiv und gezielt arbeiten.» Wenigstens das kann ihr in diesen unsicheren Zeiten niemand mehr nehmen.