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Sport (AZ, BT)
Der bald 60-jährige Raimondo Ponte lädt in seine Villa ein und blickt auf seine lange Karriere als Spieler und Trainer zurück. Den FC Aarau will er vom drohenden Abstieg retten.
Raimondo Ponte öffnet die Türe zu seiner 7-Zimmer-Villa in einem Nobelquartier oberhalb von Oberrohrdorf. Es ist Zeit für einen Espresso.
Er geht in die Stube, legt im Cheminée etwas Holz nach und zündet es an. Die Flammen des Feuers durchbrechen die Dunkelheit, haben dennoch eine beruhigende Wirkung.
Ponte atmet tief durch, schaltet seinen riesigen Fernseher ein, setzt sich in die weisse Couch, lagert die Beine hoch und schaut sich die News aus der grossen Welt des Sports an.
Endlich zu Hause! Endlich abschalten! Aber der Fussball lässt ihn nicht los. «Komm mit, ich zeig dir was», sagt er. Wir gehen in den Keller.
Erst zieht mich ein Flipperkasten in den Bann, dann dreht sich wieder alles um die Sportart Nummer eins. Da ist er also: Pontes kleiner Fussballtempel!
In einem Raum hat es Fotos aus der Aktivkarriere, in einem andern sind Bilder aus der Zeit als Trainer zu sehen.
In einer Abstellkammer lagern Dutzende von Trikots und Wimpeln. In einem Regal sind Hunderte von Kassetten mit Spielszenen. Alles ist fein säuberlich beschriftet und abgelegt.
Schliesslich kramt Ponte aus einer Ecke einen Bilderbogen mit Aufnahmen aus der Zeit beim FC Aarau hervor. Ponte spielte von 1970 bis 1974 im Brügglifeld und bildete mit Roger Hegi und Rolf Osterwalder ein Dreier-Mittelfeld von hoher Qualität.
Ponte war schon in jungen Jahren der Chef auf dem Platz. Damals hatte die klassische Nummer 10 eine Vormachtstellung.
Ponte zelebrierte den Fussball und war der Herr der ruhenden Bälle. Sein Vorbild? Der frühere Regisseur Gianni Rivera. Er spielte in der Nationalmannschaft Italiens während der Siebzigerjahre eine ähnliche Rolle wie Ponte.
Vom FC Aarau gings zu GC. Bei den Zürchern legte Ponte den Grundstein zum Durchbruch. Ein Highlight jagte das andere. Drei Meistertitel (1978, 83 und 84) und zwei Cupsiege (1983 und 88) stehen zu Buche.
Die grossen Erfolge ermöglichten ihm den Transfer in die englische Liga zu Nottingham Forest. «Die Zeit in England war fantastisch und ist unvergesslich», blickt er zurück.
«Da habe ich auch am meisten Geld verdient. Es war ein Fehler, dass ich nicht länger als ein Jahr geblieben bin.» Nach einem weiteren Auslandjahr in Bastia kehrte Ponte zu GC zurück.
Ponte erzählt und erzählt. Obwohl die Karriere als Spieler längst vorbei ist, erinnert er sich heute noch an viele Details. Die letzte Station war der FC Baden.
Bei diesem Klub startete er vor 27 Jahren auch seine Trainerlaufbahn. Diese war geprägt von einem Wechselbad der Gefühle.
Ponte trainierte der Reihe nach den FC Zürich, Luzern, den italienischen Provinzverein Carrarese, Wohlen, YF Juventus, Chiasso, Lugano und Bellinzona.
Ende letzter Saison rettete er den FC Sion dank eines fulminanten Schlussspurts vor dem Abstieg.
Das gleiche Ziel hat er ein Jahr später in Aarau. Nothelfer hin, Nothelfer her; seine Freude am neuen Job ist riesig. Im Gespräch unter vier Augen ist die Lust auf Fussball beinahe greifbar. Ponte ist vom Fussball besessen.
Und was interessiert Ponte ausser der schönsten Nebensache der Welt? «Ich bin ein Familienmensch», sagt er. «Ohne meine Frau hätte ich all das nicht erreicht. Sie bedeutet mir sehr viel.»
Raimondo und Maria sind seit 33 Jahren verheiratet. Im Traumhaus in Oberrohrdorf mit Wintergarten und Swimming Pool wohnen sie seit 1987. Sie zwei haben drei Kinder: Angelo ist 31 Jahre alt, die Zwillinge Anna und Paulo sind 30.
Pontes grösster Schicksalsschlag war der Tod seines Vaters Angelo. Dieses Erlebnis hat ihn tief bewegt. Angelo starb als 61-Jähriger nach einer schweren Krankheit.
«Viel zu früh», sagt Ponte. «Das tat weh. Mein Vater hatte es in seinem Leben nie einfach. Er arbeitete als Arbeiter in der Schuhfabrik Künzli und verdiente monatlich gerade mal 1800 Franken.»
Da geht es Raimondo Ponte etwas besser. Zwar haben ihn die erfolgreichen Zeiten als Spieler und als Trainer finanziell nicht unabhängig gemacht, aber am Hungertuch nagen muss er natürlich nicht.
«Um in meinem Alter stressfrei über die Runden zu kommen, hätte ich etwas später auf die Welt kommen müssen», erklärt Ponte mit einem schelmischen Lächeln.
«Zu meiner Zeit waren die Spielerlöhne bei Weitem nicht so hoch wie heute. Ich kann mich also noch nicht zur Ruhe setzen und muss schon noch etwas arbeiten.»
Als Beweis für seine Aussagen folgendes Beispiel: Ponte kassierte bei GC als 19-jähriger Emporkömmling ein monatliches Fixum von 400 Franken. Für diesen Betrag würde ein Talent eines Super-League-Klubs heute nicht einmal Bälle pumpen.