Früher ist er noch als Zuschauer am Strassenrand gestanden. Nun fährt er bei den Profis mit. So hat der Gippinger Fabio Christen sein Heimspiel beim GP Gippingen erlebt.
Er ist die Ruhe selbst. Drei Stunden vor dem Start des GP Gippingen sitzt Fabio Christen tiefenentspannt am Esstisch. Der Gippinger füllt mit einer Portion Teigwaren noch einmal die Energiereserven auf. Er wird sie brauchen, schliesslich steht eine Renndistanz von 172 km auf dem Programm.
«Die Vorfreude ist ziemlich gross», gibt Christen am Morgen vor dem Rennen preis. Von Nervosität ist aber weiterhin keine Spur. Zu gut kennt er die Strecke, die keine 400 Meter von seinem Zuhause durchführt. Von der Kurssetzung wird er nicht überrascht werden. Unzählige Trainingsstunden hat der 18-Jährige bereits auf den Strassen rund um Gippingen absolviert. Er kennt jede Kurve und jeden Anstieg auswendig.
Trotzdem ist es ein ganz spezieller Tag für ihn. Es ist sozusagen ein Bubentraum, der für den Gippinger in Erfüllung geht. «Wir bekamen von der Schule immer frei, um das Rennen anzuschauen. Dann war ich mit meinen Freunden am Streckenrand auf der Jagd nach Bidons», sagt Christen über seine ersten Erinnerungen an den GP Gippingen. An den Gedanken, eines Tages selbst beim Eliterennen an den Start zu gehen, verschwendete er damals noch keine Sekunde: «Erst als ich älter wurde, schossen mir solche Gedanken durch den Kopf.» Nun ist dieser Tag gekommen.
Es ist ein aufregender Tag für die radsportbegeisterte Familie Christen. Während Fabios Mutter Jolanda die Teigwaren kocht, präpariert sein Vater Sepp bereits die Bidons für seinen Sohn. Schliesslich geht es schon bald los. Um 12 Uhr trifft sich Fabio mit seinen Kollegen des Teams Nippo-Provence-PTS Conti. Zusammen mit Vater Sepp, der kurzfristig als Mechaniker des Teams einspringt, schwingt sich Fabio aufs Velo und begibt sich zum Treffpunkt. Mit dem Velo zum Start an ein Profirennen. Was surreal klingt, ist für den Gippinger Fabio Christen heute möglich.
Beim Teambus angekommen, folgt die kurze Rennbesprechung. Anschliessend findet die Teampräsentation statt. Anders als sonst findet diese unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Es ist nicht auszumalen, welche Stimmung aufgekommen wäre, als Lokalmatador Fabio Christen die Bühne hinauffährt. So ist es leider ein tristes Bild – keine Zuschauer, ein paar Fotografen und grauer Himmel. Immerhin werden die Fahrer vom Regen verschont. Lediglich die pinke Farbe von Christens Teamtrikot bringt Farbe in die Szenerie.
Vor dem Rennstart nimmt Fabio Christen sein Team dann mit auf die Aufwärmrunde. Er kann aus erster Hand noch einmal wichtige Tipps über den Kurs geben. Nach dem obligaten Mannschaftsfoto geht’s dann endlich los. Das Rennen startet.
Lange hält sich Fabio Christen im grossen Feld der Favoriten zurück. Es gilt, für die letzten Runden möglichst viel Kraft im Windschatten zu sparen. Bei der letzten Zieldurchfahrt ist das Feld schon deutlich dezimiert, doch der Gippinger Lokalmatador beisst sich trotz schwerer Beine weiter fest. Am letzten Anstieg über den Rotberg reisst dann aber doch die Lücke auf. «Ich hatte nicht mehr die Beine, um an die Spitze aufzuschliessen», bilanziert Christen nach dem Rennen. Der 18-Jährige darf sich aber über eine starke Leistung freuen. Bis zur letzten Runde war er mit den Besten dabei: «Das Rennen ging leider eine Runde zu lang für mich», sagt Christen mit einem Lächeln auf den Lippen.
Für die Aargauer Radsportfans ist Christen aber bereits jetzt ein Star. Lauthals schreien ihn die zahlreichen Fans die Steigungen hinauf. Der Gippinger freute sich sehr über die lautstarke Unterstützung. «Es hat Megaspass gemacht, auch wenn ich gegen Ende leiden musste», sagt Christen über die Unterstützung vom Strassenrand. Diese Unterstützung hat ihn auf der Zielgeraden noch einmal beflügelt und er legte trotz brennender Beine noch einen Zielsprint hin zur Freude der lokalen Supporter.
Nun gilt für Fabio Christen, sich bestmöglich zu erholen. Morgen steht bereits das nächste Rennen an. Doch bereits nach der Zieldurchfahrt ist für Christen klar: Nächstes Jahr soll wieder angegriffen werden. Und vielleicht reicht es für Christen in ein paar Jahren sogar zum Sieg am Heimrennen.