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Sport (AZ, BT)
Fast jeder Sportler wird vom "Corona-Lockdown" auf die eine oder andere Art tangiert. Am schwierigsten ist die Situation jedoch für die Schwimmklubs und die Athleten, die für ihr Training und ihre Wettkämpfe auf Schwimmbäder angewiesen sind. Wie gehen sie mit der Lage um?
Es sind skurrile Bilder, die in den letzten Tagen in den sozialen Medien aufgetaucht sind. Der Aargauer Spitzenschwimmer Yannick Käser quetschte sich beispielsweise in seine Badewanne und versuchte, sich irgendwie koordiniert zu bewegen. Während die mehrfache Hawaii-Siegerin Daniela Ryf in ihrem Garten in einem grossen Plantschbecken einige Übungen ausprobierte. Alles nicht wirklich ernst gemeinte Versuche. Aber sie bringen die verzwickte Lage der Wasserathleten auf humoristische Art und Weise auf den Punkt.
Käser und Ryf sind nur zwei Vertreter einer ganzen Reihe von Sportlern, denen mit der behördlich angeordneten Schliessung der Sportanlagen quasi die sportliche Existenzgrundlage entzogen wurde. Schwimmer, Triathleten, Turmspringer etc. sind auf Wasser angewiesen. Ohne Schwimmbecken keine Trainings. Da ist Kreativität gefragt. Die Spitzen-Triathletin und Olympia-Siegerin Nicola Spirig versuchte beispielsweise, sich bei privaten Pools einzumieten. Das mag auf individueller Basis eine (nicht unumstrittene) Option sein. Ein ganzer Schwimmklub steht dagegen vor einem schier unlösbaren Rätsel.
Zum Beispiel der SC Aarefisch in Aarau. Kein Wunder, verliefen die Tage des Cheftrainers Dirk Thölking zuletzt turbulent. Das Verbot, welches Mitte März in Kraft trat, hat die ganze Saisonplanung komplett auf den Kopf gestellt. Thölking musste von einem Tag auf den anderen damit beginnen, individuelle Programme für seine Athleten zusammenzustellen. «Athletik- und Kardio-Übungen. Eben alles, was man zu Hause selber trainieren kann. Zusätzlich noch Video-Tutorials, die man sich anschauen kann», präzisiert der Deutsche und fügt an: «Wir müssen nun Strukturen nutzen, die wir so vorher nie verwenden mussten. Und das ist sehr aufwendig.»
Dirk Thölking, einer von drei Vollzeit-Trainern in Aarau, war anfangs Jahr mit seinen Spitzenathleten in einem dreiwöchigen Höhentrainingslager in den Pyrenäen, gefolgt von drei Intensivwochen in Basel. «Die Sportler haben während sechs Wochen bis zu 25 Stunden pro Woche trainiert. Und jetzt stehen wir vor dem Problem, dass wir quasi auf Null herunterfahren müssen. Das ist vom gesundheitlichen Aspekt her extrem schwierig. Der Körper erwartet jetzt, dass er gefordert wird. Und es geht nicht.» Kommt die mentale Komponente dazu: «Die körperliche Unausgeglichenheit fordert auch die Psyche der Athleten», unterstreicht Thölking. «Wer mit einem teils professionellen Umfang trainiert, für den ist dieser Bruch extrem schwierig zu verkraften.»
Nicht nur die klassischen Trainings fallen vorderhand komplett ins Wasser, sondern natürlich auch die Wettkämpfe. Immerhin bleibt der Schwimmklub Aarefisch selbst diesbezüglich verschont. «Wir haben das Glück, dass unsere eigenen Anlässe erst später in Jahr geplant sind», sagt Präsident Willy Bolliger. Nicht aber die Athleten, die nicht wissen, wann und wie es überhaupt weitergehen soll. Letztlich sind es ja genau die Wettkämpfe, das Messen mit der Konkurrenz, die für jeden Sportler das Salz in der Suppe sind.
Vorderhand ist nicht klar, wie lange die Schwimmbäder geschlossen bleiben. In den natürlichen Gewässern, Seen oder Flüssen, trainieren zu wollen, ist auf absehbare Zeit keine Option. Das Wasser ist schlicht zu kalt. Vernünftiges Schwimmtraining ist erst ab einer Temperatur von 18 Grad überhaupt möglich. «Da müssten wir also bis in den Juli hinein warten, bis wir so etwas überhaupt in Erwägung ziehen könnten, unterstreicht Willy Bolliger. Zumal für die klassischen Schwimmer Trainings in Neopren-Anzügen nicht wirklich praktikabel sind.
Sprichwörtlich vom Regen in die Traufe geriet der zweite grosse Schwimmklub des Kantons Aargau, der SC Tägi Wettingen. Wegen des Umbaus des Sportzentrums Tägerhards war der Verein bereits in den letzten zwei Jahren seiner Trainingsbasis beraubt. Nach den Frühlingsferien, hätte der reguläre Trainingsbetrieb in heimischen Gewässern wieder anlaufen sollen. Das Coronavirus hat allen Plänen einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht. Vereins-Präsidentin Katharina Urfer sagt: «Ich musste zwei Jahre lang nach Ersatzvarianten Ausschau halten. Jetzt gibt es ganz einfach keine Alternative mehr.»
Auch die Schwimmklubs werden sich – wie jeder andere Sportklub im Kanton – in den kommenden Wochen mit den Auswirkungen des Corona-Lockdowns auseinandersetzen müssen. Zum Beispiel in finanzieller Hinsicht: Die Schwimmschulen, eine ansonsten zuverlässige Einnahmequelle, bleiben selbstredend ebenso geschlossen. Kurzarbeit der Angestellten ist natürlich ebenso ein Thema.
Trotz aller Schwierigkeiten sind sich aber alle Beteiligten in der Welt des Schwimmens bewusst: So gross die Probleme in ihrem Mikrokosmos sein mögen – im ganzen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kontext betrachtet sind sie verschwindend klein.