Challenge League
«Es gibt keinen Keller-Effekt»: Aarau-Sportchef Sandro Burki über das erste Halbjahr seit dem Trainerwechsel

Der Trainer- und Strategiewechsel im vergangenen Sommer führte auch zu Kritik an Sportchef Sandro Burki. Ein halbes Jahr später geht der FC Aarau nur zwei Punkte hinter Tabellenführer GC in die Winterpause. Burki blickt zurück auf ereignisreiche Monate und sagt, warum es nicht per se schlecht ist, dass der Erfolg Begehrlichkeiten weckt.

Sebastian Wendel
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Sandro Burki, seit 2017 Sportchef beim FC Aarau

Sandro Burki, seit 2017 Sportchef beim FC Aarau

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Das offizielle Saisonziel ist ein Rang in der oberen Tabellenhälfte. Nun lauert der FC Aarau nach 15 von 36 Spieltagen zwei Punkte hinter Tabellenführer GC – und der Aufwärtstrend scheint noch lange nicht abgeschlossen zu sein. Vor der fünfwöchigen Winterpause blickt Sportchef Sandro Burki zurück auf bewegte Monate:

Der Keller-Effekt!

"Für mich gibt’s keinen Keller-Effekt, denn: Ich wusste, auf was für einen Menschen und Trainer wir uns einlassen, was wir von Stephan bekommen und dass er perfekt zu unserer neuen Strategie passt. Von daher bin ich nicht überrascht, dass wir auf einem guten Weg sind. Ich kenne ihn, seit wir im Januar 2002 im Trainingslager mit dem FC Zürich das Zimmer geteilt haben. Stephan ist alles andere als 08/15, es war absehbar, dass er anfangs die Öffentlichkeit irritieren könnte. Doch wer sich intensiv mit ihm beschäftigt, lernt einen Menschen kennen, der dem Gegenüber jeden Tag neue Perspektiven öffnet. Seine grösste Stärke? Er macht nichts einfach so, sondern alles mit 100 Prozent. Fehlern geht er mit teils unkonventionellen Methoden auf den Grund, bis die Lösung gefunden ist."

Erfolg trotz Ausfällen!

"Bryan Verboom, Arijan Qollaku, Shkelzen Gashi und Jérôme Thiesson sind Schlüsselspieler. Abgesehen von Verboom, der wegen muskulärer Probleme erst wenige Spielminuten absolviert hat, haben sich die Spieler leider verletzt, als sie sich in Topform befanden. Aber auch in diesem Punkt gilt: Ich bin nicht überrascht, dass wir auch ohne sie Erfolg haben. Voraussetzung dafür ist, dass sich jeder Spieler wichtig fühlt, auch dann, wenn er eine Zeit lang nicht oft zum Einsatz kommt. Vertrauen aussprechen ist das eine, die Umsetzung das andere: Wir haben nach den Verletzungen nicht einfach neue Spieler geholt, sondern den Jungs die Chance gegeben, die hier waren. Und es haben alle geliefert. Ob wir in der Winterpause neue Spieler verpflichten? Im Sommer wurden wir dafür kritisiert, zu lange mit Neuverpflichtungen zu warten. Wir wollten nur Spieler, von denen wir zu 100 Prozent überzeugt waren, das braucht Geduld. So wird es auch in der Winterpause sein: Nur, wenn wir Bedarf sehen und nur, wenn der ideale Kandidat verfügbar ist, werden wir etwas machen."

Das Corona-Jahr!

"Persönlich spüre ich je länger, je mehr eine negative Stimmung in der Gesellschaft. Es wird nur darüber geredet, was die Menschen alles schlecht machen. Dabei könnte man von offizieller Seite auch mal darauf hinweisen, dass sich die Mehrheit der Bevölkerung an die Schutzmassnahmen hält. Positiv vorangehen ist in schwierigen Zeiten besonders wichtig. Durch einen unserer Klubärzte bekommen wir beim FC Aarau mit, was in den Spitälern passiert: Das bedrückt mich und ich hoffe einfach, dass sich nun wirklich alle Menschen an die Vorgaben halten – nur so werden wir schrittweise zur Normalität zurückkehren. Als Sportchef war ich in diesem Jahr sehr froh um unseren Präsidenten und die restlichen Verwaltungsräte: Trotz stetiger Ungewissheit konnten wir von der sportlichen Abteilung unseren Plan durchziehen und hatten volle Unterstützung. Uns hat dabei natürlich in die Karten gespielt, dass durch die neue Strategie das Spielerkader deutlich günstiger geworden ist. So, wie der Klub aufgestellt ist, wird er auch bei anhalten Finanzeinbussen einen langen Atem haben, länger als die meisten anderen Klubs in der Schweiz."

Genugtuung nach Kritik!

"Natürlich ist es ein schönes Gefühl, zu sehen, dass unser Plan bislang aufgeht. Aber Genugtuung? Nein! Ich treffe meine Entscheidungen immer zu Gunsten des FC Aarau. Und nicht, um der Welt zu zeigen, was für ein toller Sportchef ich bin. Mich freut neben den guten Resultaten besonders die Art und Weise, wie wir Fussball spielen, das ist wirklich schön zum Zuschauen. Und: Praktisch jeder unserer Spieler ist besser als zu Saisonbeginn, was ein grosses Qualitätsmerkmal der Arbeit des Trainerstaffs ist und die Berufseinstellung unserer Spieler widerspiegelt."

Mein Highlight!

"Ich spüre im Brügglifeld jeden Tag die Begeisterung und den Willen, unseren neuen Weg mitzugehen. Alle Angestellten im Hintergrund verfolgen ein gemeinsames Ziel: Dass bis zum Spieltag alles dafür getan ist, dass unsere erste Mannschaft gut spielen kann. Was jeder Einzelne im Brügglifeld beim FC Aarau in diesem verrückten Jahr geleistet hat, verdient ein grosses Kompliment."

Der Erfolg als Gefahr!

"Mit dem Erfolg werden unsere Spieler interessant für andere Vereine. Die Spieler wissen aber auch, was sie am FC Aarau haben; wir werden immer wieder Spieler überzeugen können, zu uns zu kommen oder trotz finanziell besserer Angebote bei uns zu bleiben. Wenn ein Spieler geht, soll er zurückblicken und denken: Schön wars! Andererseits: Wir sind angewiesen auf Spielerverkäufe, wenn der Preis stimmt. Mit dem Erlös sichern wir die Jobs aller anderen Angestellten im Hintergrund. Wichtig ist auch das Verständnis, dass der FC Aarau keinen Spieler, der in eine höhere Liga wechselt, gleichwertig ersetzen kann, das können wir uns nicht leisten. Wir müssen im Hintergrund Spieler aufbauen, die bei den Profis auf tieferem Niveau beginnen als ihre Vorgänger, sich dann aber rasch entwickeln. Deshalb ist eine gute Juniorenabteilung wie unser «Team Aargau» sehr wichtig. Nur so wird es uns gelingen, uns irgendwann in der Super League zu etablieren. In der aktuellen Saison werden wir alles dafür tun, um am Ende einen Rang in der oberen Tabellenhälfte zu belegen."