Challenge League
Enttäuschung beim FC Aarau – trotzdem könnte dieses 2:2 noch Gold wert sein

Ist nach dem Remis gegen den FC Wil das Glas halb leer oder halb voll? Der FC Aarau zeigte im ersten Heimspiel gute Ansätze, beging aber erneut zu einfache Fehler und muss deshalb einen Rückschlag in der Aufbruchsphase verarbeiten.

Sebastian Wendel (Text) und Patrick Haller (Liveticker)
Drucken
FC Aarau - FC Wil, 2. Runde, Challenge League, 29.7.17
10 Bilder
Léo Itaperuna freut sich mit den Fans über seinen späten Ausgleich.
Auch die Wiler waren nach dem Spiel enttäuscht.
Das erste Tor wurde noch gefeiert. Patrick Rossini erzielte es.
Die Mannschaft ist nach dem Spiel enttäuscht
Léo Itaperuna erzielte das späte 2:2-Ausgleichstor.
Marco Thaler musste verletzt raus.
Enttäuschung bei Arxhend Cani.
Marinko Jurendic bei seinem ersten Pflichtspiel im Brügglifeld.
Patrick Rossini (Mitte) freut sich über seinen Treffer, mit dem er den FC Aarau in Führung schoss

FC Aarau - FC Wil, 2. Runde, Challenge League, 29.7.17

Freshfocus

Als sich die Mehrheit der 2902 Zuschauer im Brügglifeld mit der Niederlage des Heimteams abgefunden haben, fliegt doch noch ein Ball in Richtung Gästestrafraum. Und tatsächlich: Plötzlich steht Aarau-Stürmer Leo Itaperuna vor Wil-Goalie Baumann und zimmert den Ball ins Tor. Es gibt kein Halten mehr: Spieler, Zuschauer und auch alle auf der Trainerbank jubeln, als hätte der FCA gerade den Aufstieg realisiert. Dabei ist es «nur» das Tor zum 2:2 im zweiten Saisonspiel – gegen den FC Wil.

Doch dieser Treffer könnte sich noch als wegweisend herausstellen: Hätte Aarau gleich das erste Heimspiel unter dem neuen Cheftrainer Marinko Jurendic verloren – die Aufbruchstimmung wäre bös abgeflacht, die Erinnerungen an den miserablen Frühling sind einfach noch zu frisch. Und die Mannschaft wäre bereits ins Zweifeln gekommen. So aber bleibt als letzter Eindruck des Heimspiels dieses 2:2 und die überbordenden Emotionen auf dem Platz und auf der Tribüne. Und die FCA-Profis nehmen doch noch Moral mit in die kommende Woche.

Die Verletzungshexe verfolgt den FCA

Das Verletzungspech bleibt dem FCA Aarau auch in der neuen Saison treu: Bereits fehlen mit Burki, Besle, Jäckle und Nganga vier Spieler langfristig, für die eigentlich tragende Rollen vorgesehen sind. Im Abschlusstraining vor dem Heimspiel gegen Wil (2:2) erwischte es zudem Eigengewächs Varol Tasar mit Rückenbeschwerden. Und während der Partie gegen die Ostschweizer mussten Marco Thaler und Mats Hammerich aus gesundheitlichen Gründen vom Platz: Thaler bekam kurz vor dem 1:1 einen Schlag auf den Kopf, gab aber das Okay zum Weitermachen. Kurz darauf beging er den folgenschweren Fehler vor dem 1:1 – eine Folge des Zusammenpralls kurz zuvor? Wenige Minuten nach dem Ausgleich nämlich musste Thaler dann doch runter – und ins Spital. Schwindel, Übelkeit und Sehprobleme liessen kein Weiterspielen zu. Wie es mit Thaler, der schon mehrere Gehirnerschütterungen hatte, weitergeht, zeigen die nächsten Tage. Youngster Hammerich war einer der besten Aarauer, bis er plötzlich Krämpfe im Oberschenkel hatte, noch fünf Minuten durchhielt, dann aber nicht mehr weiterspielen konnte. Auch bei ihm gilt: Abwarten, was die Untersuchungen bringen.

Aber: Im Gesamtkontext ist dieses Remis gegen die Ostschweizer natürlich zu wenig. Enttäuschend. Nicht nur, weil Aarau auf dem Papier die stärkere Mannschaft ist und deutlich grössere Ambitionen hat als die Wiler. Nein, Aarau war in der ersten Halbzeit die dominierende Mannschaft. Hatte mehr Spielanteile und mehr Chancen. Aber wie schon beim Startspiel in Neuenburg war der Ertrag zu gering: Nur 1:0 (Tor durch Rossini) statt 2:0 oder gar 3:0 hiess es nach 45 Minuten.

Die mangelnde Effizienz ist der eine Grund für das ungenügende Ergebnis. Grund 2: Die verloren gegangene Stabilität nach dem Wiederanpfiff. Trotz Führung im Rücken, trotz Chancenplus und mehr Spielanteilen zuvor liess sich das Heimteam in der zweiten Halbzeit von den Wilern in Bedrängnis bringen. In dieser Phase zeigte es sich überdeutlich: Die fehlende Routine durch die Absenzen von Burki, Besle, Jäckle und Nganga können die zur Verfügung stehenden Spieler nicht wettmachen. Ein Kandidat für die Zepterübernahme in schwierigen Momenten wäre Michael Siegfried, doch der Neuzugang ist nach einer Saison ohne Spielpraxis (verständlicherweise) noch mit sich selber beschäftigt. Logische Schlussfolgerung: Der FCA kommt nicht darum herum, auf dem Transfermarkt nochmals aktiv zu werden. Das Anforderungsprofil an die dringend gesuchte Verstärkung: offensiv, routiniert, kreativ und mit Leadership ausgestattet.

Der offensichtlichste Grund für den verpassten Sieg sind jedoch die individuellen Fehler. Wie schon in Neuenburg schenkt Aarau dem Gegner praktisch dessen Tore. Besonders krass das 1:1: Nach einem harmlosen langen Ball schlägt FCA-Abwehrspieler Marco Thaler ein Luftloch – Cortelezzi steht alleine Steven Deana und schiebt cool ein. Ein Tor, das sich abgezeichnet hat: Zuvor hatten die Ostschweizer zwei Grosschancen nach Eckbällen, weil die Aarauer ungenügende Deckungsarbeit leisteten. Die Führung für die Wiler ist dann eine Mischung aus Schlafmützigkeit der Aarauer (Perrier und Josipovic) und der immer noch vorhandenen Klasse von Altstar Johan Vonlanthen: Einfach, wie dieser am genannten FCA-Duo vorbeispaziert. Herrlich, wie er anschliessend ins lange Eck trifft. Erst nach dem Rückstand finden die Aarauer wieder ins Spiel und belohnen sich mit dem verdienten 2:2.

Das erste Fazit von FCA-Trainer Marinko Jurendic: «Der späte Ausgleich war sehr wichtig und freut mich sehr, weil die Jungs sich das verdient haben. Aber klar habe ich mir mehr erhofft, mehr Punkte und eine insgesamt bessere Leistung. Die erste Halbzeit hatten wir im Griff, machten aber zu wenig aus unserer Dominanz. Danach haben wir die Stabilität verloren und individuelle Fehler begangen. Aber am Ende eine tolle Moral bewiesen.»

Der nächste Gegner des FC Aarau ist am 7. August der FC Winterthur. Dieser hat nach der Startniederlage gegen Wohlen auch das zweite Spiel verloren – 1:3 gegen Aufsteiger Rapperswil. Auf der Schützenwiese kommt es also zum Duell zweier Teams, die zu Beginn der Saison die Erwartungen, auch die eigenen, nicht erfüllen konnten.

FC Aarau – FC Wil 2:2 (1:0)

Brügglifeld. – 2’902 Zuschauer. – SR Klossner. – Tore: 35. Rossini (Itaperuna) 1:0. 57. Cortelezzi 1:1. 93. Itaperuna (Rossini) 2:2.

Aarau: Deana; Peralta, Thrier, Thaler (70. Garat), Perrier; Itaperuna, Hammerich (62. Mehidic), Siegfried, Josipovic; Rossini, Cani (78. Misic).

Wil: Baumann; Gonçalves, Muslin, Atila, Schällibaum; Maroufi (46. Cortelezzi), Scholz (46. Breitenmoser), Stillhart, Keller; Savic (86. Latifi), Vonlanthen.

Bemerkungen: Aarau ohne Besle, Burki, Jäckle, Nganga, Tasar (alle verletzt), Corradi und Joos (beide nicht im Aufgebot). Wil ohne Huber, Lombardi, Sacirovic (alle verletzt), Audino, Bottani, Gjoshi, Hamdiu, Korkmaz, Kucani, Rahimi, Roesler und Schiavano (alle nicht im Aufgebot). – Verwarnungen: 19. Itaperuna (Unsportlichkeit), 21. Scholz, 63. Breitenmoser, 72. Keller (alle Foulspiel), 75. Savic (Unsportlichkeit), 76. Rossini (Foulspiel).

Der Liveticker zum Nachlesen: