Die Karatekämpferin aus Schinznach-Dorf setzt sich bei der Publikumswahl durch. Für die 26-Jährige ist es ein erstes Highlight in einem Jahr, das zum speziellsten in ihrem bisherigen Leben werden könnte.
Jetzt ist auch noch eine Rippe gebrochen. Aber eine Pause gönnt sich Elena Quirici nicht. «Das liegt nicht drin», sagt die Aargauer Sportlerin des Jahres. Zu wichtig ist das Jahr für die Karatekämpferin. Seit 22 Jahren ist die 26-Jährige in ihrem Sport aktiv. Doch ausgerechnet jetzt, im Olympiajahr, verletzt sie sich zweimal so schwer wie niemals zuvor. Anfang Jahr erwischt es im Training die Nase. Gleich fünffach bricht der Knochen. Und jetzt also die Rippe: «Ich bin sehr gut darin, Schmerzen auszublenden», sagt Quirici.
Im Sommer wird Karate zum ersten und vorläufig einzigen Mal an Olympischen Spielen ausgetragen. Die Sommerspiele sind ein Sehnsuchtsort für so viele. Und Quirici ist so nahe dran. Im Ranking, das zur Teilnahme berechtigt, liegt die Aargauerin auf einem der zwei Plätze, der die Reise nach Japan möglich macht.
Noch stehen zwei Wettkämpfe aus. Am übernächsten Wochenende in Rabat und nochmal zwei Wochen später an der EM in Baku werden die letzten Punkte vergeben. Hält sich Quirici auf Rang zwei, fliegt sie im Sommer nach Tokio und wird zur Olympionikin. «Natürlich ist der Druck riesig. Aber ich sehe das positiv. Ich habe mich in diese Position gebracht, dass ich diesen Druck haben darf.» In diese Position heisst, dass die Frau aus dem kleinen Schinznach-Dorf in der weiten Welt des Karates zu den Allerbesten gehört.
Vor einem Jahr gewann Quirici das Open in Paris. «Es ist der Wettkampf, den alle Karatekämpferinnen einmal im Leben gewinnen wollen», sagt sie. Das Turnier in Frankreich hat eine lange Tradition, ist so etwas wie Wimbledon im Tennis. Doch während Roger Federer alle kennen, ist Karate in der Schweiz eine Randerscheinung.
«Umso schöner ist die Auszeichnung zur Aargauer Sportlerin des Jahres», sagt Qurici. «Es zeigt mir, dass meine Leistungen wahrgenommen werden.» Bei der Publikumswahl setzte sie sich vor dem Schwinger Nick Alpiger durch. Neben dem Turniersieg in Paris gewann die Aargauerin 2019 auch den Premier-League-Wettkampf in Rabat, wurde Vizeeuropameisterin und beendete die European Games auf dem dritten Rang.
Ihr Blick aber geht nach vorne. Je näher die Olympischen Spiele rücken, je mehr Platz nehmen sie in den Gedanken der Sportlerin ein. Das ist mental eine Herausforderung. «Wichtig ist, dass man sich Zeit nimmt, Erfolge und Rückschläge zu verarbeiten», sagt sie. Doch ausgerechnet jetzt bleibt kaum Zeit dafür. Es geht um jeden Punkt für die Olympia-Qualifikation. Und irgendwann kommt der Körper an seine Grenzen, brechen Nasen und Rippen. Aber eine Pause liegt nicht drin. Zum Glück steckt sie Schmerzen weg.
Seit März 2019 ist Quirici Profi, fokussiert sich einzig und allein auf ihren Sport. Aber momentan bleibt sogar so zu wenig Zeit, zu regenerieren. «Darum ist es mein Ziel, bereits Ende März, also nach den nächsten zwei Wettkämpfen, für die Olympischen Spiele qualifiziert zu sein.» Würde das nicht klappen, hätte sie Anfang Mai in Paris eine letzte Chance, wenn die letzten Startplätze vergeben werden. Aber das würde bedeuten: wieder keine Pause. Wieder keine Zeit, den geschundenen Körper zu erholen. «Das will ich vermeiden.»
An der aufgrund der Massnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus abgesagten Aargauer Sportgala hätte Quirici sowieso nicht live teilnehmen können. Zurzeit bereitet sie sich in Spanien auf die letzten Qualifikationswettkämpfe vor. Wenn diese denn stattfinden können. «Auch bei uns ist das Corona-Virus ein Thema. Ein Judo-Wettkampf in Rabat, wo wir in einer Woche starten sollen, ist bereits abgesagt», sagt sie.
Doch auf Gedankenspiele, was wäre wenn, will sie sich gar nicht einlassen. In ihren Gedanken haben aktuell nicht mal Schmerzen Platz. Gebrochene Rippe hin oder her.