Startseite
Sport
Sport (AZ, BT)
Für den FC Aarau ist das Spiel beim Bettler der Challenge League symptomatisch für den Rest der Saison.
Raimondo Ponte nimmt kein Blatt vor den Mund: «Was beim FC Wil momentan abgeht, ist eine traurige Geschichte», sagt der Sportchef des FC Aarau. «Aber leider entspricht diese traurige Geschichte der Wahrheit.»
Dass der FC Wil den finanziellen Kollaps nicht mehr abwenden kann, ist mehr als nur eine Vermutung. Für die Trainer, Spieler, Funktionäre und Fans des Klubs aus der Ostschweiz ist der schleichende Tod eine bittere Pille. Aber Achtung – wer Mitleid mit dem FC Wil hat, sollte Folgendes bedenken: Die Klubverantwortlichen um Roger Bigger haben sich den ganzen Schlamassel selbst eingebrockt.
Wer sich mit dem Teufel einlässt – im Fall des FC Wil mit zwar milliardenschweren, aber unberechenbaren türkischen Investoren –, muss sich nicht wundern, wenn die Geschichte ausser Kontrolle gerät und schliesslich im totalen Chaos endet.
Und das Groteske an der Sache: Die Wiler ziehen während ihres Absturzes in die Niederungen des Schweizer Fussballs neun andere Klubs mit hinein. Die drohende Pleite des Vereins ist nämlich nur ein Aspekt. Ein zweiter Aspekt ist viel gravierender: Der FC Wil hätte unter den gegebenen Umständen gar nicht in die Saison starten dürfen.
Das Ganze war von allem Anfang an eine Wettbewerbsverzerrung, sprich eine Verfälschung der Meisterschaft in der Challenge League. Das hätte man vonseiten der Verantwortlichen der Swiss Football League vermeiden können, ja vermeiden müssen. Und wenn sich die Verantwortlichen der Liga hinter Aussagen wie «uns fehlen die Reglemente, um solche Fälle zu verhindern» verstecken, dann darf man das nicht gelten lassen. Nach den leidigen Fällen mit den Pleiten von Bellinzona, Servette und Neuchâtel Xamax hätte man die entsprechenden Reglemente längst schaffen müssen.
Aber weil es nun mal ist, wie es ist, tritt der FC Aarau aller Voraussicht nach die letzte Reise nach Wil an. Im Gegensatz zum kriselnden Kontrahenten ist der Klub vom Brügglifeld noch lange nicht «tot». «Wir leben», sagt Mittelfeldspieler Olivier Jäckle. «Schliesslich haben wir im Cup-Viertelfinal gegen den Super-League-Klub Luzern ein 0:2 aufgeholt. Leider kassierten wir nach dem 3:3 sofort den vierten Treffer. Aber wir haben in diesem Spiel Moral und Willensstärke bewiesen. Wir haben gezeigt, was in uns steckt.»
Mag sein, dass Jäckle ein Stück weit recht hat. Dennoch bedeutete das 3:5 gegen Luzern das Aus im Cup. Und vor diesem 3:5 gegen die Innerschweizer verlor der FC Aarau in Chiasso 1:5. Zehn Gegentreffer in zwei Spielen! Das ist ganz einfach zu viel. Und weil es für die Mannschaft von Trainer Marco Schällibaum in den verbleibenden 14 Spielen bis Anfang Juni weder nach vorne noch nach hinten ans Eingemachte geht, wird der Rest der Saison zu einem Charaktertest.
Wer lobt den FC Aarau schon für einen Sieg gegen Wil? Wer lobt den FC Aarau Ende Saison schon für Rang 4? Es geht bis Anfang Juni wirklich nur noch darum, sich einigermassen anständig aus der Affäre zu ziehen. «Solche Überlegungen mache ich mir nicht», wehrt sich Jäckle.
«Wir sind vom FC Aarau angestellt und bekommen Monat für Monat unseren Lohn. Also müssen wir unseren Job machen. Wir sind verpflichtet, Leistung zu bringen. Für mich ist es selbstverständlich, dass wir jedes Spiel gewinnen wollen. Im Kampf um Rang drei gegen Servette ist noch lange nichts verloren.»
Eine gute Einstellung. Mal schauen, was der FC Aarau gegen Wil und eine Woche später im Heimspiel gegen den vermutlichen Aufsteiger FC Zürich zustande bringt. Für den einen oder andern Spieler des FC Aarau geht es in den nächsten Wochen darum, sich mit guten Leistungen einen neuen Vertrag zu sichern.
Ausserdem wird es interessant sein, die Entwicklung in der Trainerfrage zu beobachten. Schällibaum steht weiterhin auf dem Prüfstand. Mag sein, dass seine Karten nach der empfindlichen Niederlage in Chiasso und dem Cup-Aus nicht allzu gut sind. Das letzte Wort ist aber noch lange nicht gesprochen.