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Sport (AZ, BT)
Beim letzten und alles entscheidenden Spiel gegen Rapperswil-Jona tanzt auch der sonst besonnene Patrick Rahmen vor den Fans. Doch schnell schlüpft er zurück in die Trainerrolle - knifflige Entscheidungen stehen an.
Sonntag, kurz vor 18 Uhr, Stadion Brügglifeld: Zwischen Aarau und Rapperswil-Jona läuft die siebte Minute der Nachspielzeit, als alle Dämme brechen – auch beim sonst so coolen Patrick Rahmen. Der Trainer des Heimteams sieht, wie Rappi-Goalie Lars Hunn Aarau-Stürmer Goran Karanovic mit dem Fuss in die Backe tritt. Klarer Fall: Rot für Hunn und Freistoss für Aarau.
Doch Schiedsrichter Lukas Fähndrich lässt weiterspielen. Rahmen erstarrt ungläubig, rennt zum vierten Offiziellen an der Seitenlinie, er tobt und ist ausser sich. Weil er befürchtet, was dann tatsächlich passiert: Der anschliessende hohe Ball landet beim Rapperswiler Merlin Hadzi, der nur noch zum 1:1 einzuschieben braucht. Doch auf wundersame Weise fliegt der Ball am Tor vorbei. Aus, vorbei: Aarau steht in der Barrage, Rapperswil-Jona steigt in die Promotion League ab.
Hadzis Fehlschuss in der letzten Spielsekunde erlöst die fast 7000 Heimfans. Und auch der Schiedsrichter freut sich innerlich. Nicht auszudenken der Eklat, hätte Rapperswil-Jona nach Fähndrichs Blackout getroffen: Aarau wäre nicht in der Barrage, die St. Galler gerettet.
Patrick Rahmen sagt am Tag danach: «Mir hat in diesen Sekunden der Atem gestockt. Dieses Hin und Her, emotional eine Extremsituation.» Auch die Gedanken an den Katastrophen-Saisonstart kommen hoch, nach nur vier Punkten aus den ersten elf Spielen stand Rahmen kurz vor der Entlassung.
Und was tun Menschen in Extremsituationen? Sie übertreten innere Grenzen. Als die Spieler im Brügglifeld zur Gegengerade laufen, um mit den Fans zu feiern, geht auch Rahmen mit. Der 50-Jährige, im Herbst nach Niederlagen so abgebrüht wie während der Aufholjagd im Frühling, lässt sich zu einem Tänzchen vor der proppenvollen Zuschauerrampe hinreissen.
Rahmen tanzt – was für ein Bild! Kürzlich sagte er im «AZ»-Interview, er freue sich sehr über gewonnene Spiele, aber innerlich, er sei keiner, der Purzelbäume schlage. «Das Tanzen und Singen vor den Fans ist Sache der Spieler, als Trainer halte ich mich da im Hintergrund.» An diesem Sonntag aber herrscht im Brügglifeld in jeder Hinsicht der Ausnahmezustand.
Doch Rahmen wäre nicht Rahmen, würde er nicht unmittelbar nach der Jubelorgie wieder in die Trainerrolle schlüpfen. Den Blick nach vorne richten. Auf das schwierige Barrage-Hinspiel am Donnerstag in Neuenburg. Als wäre der Kunstrasen in der Maladière nicht schon Nachteil genug, muss Rahmen gleich drei gesperrte Stammkräfte ersetzen: Für Innenverteidiger Nicolas Schindelholz wird Giuseppe Leo, für Flügelstürmer Marco Schneuwly Petar Misic auflaufen.
Doch wie fängt Rahmen den Ausfall von Mittelfeldstratege Olivier Jäckle auf? Was passieren kann, wenn das FCA-Herz, bestehend aus Jäckle und Elsad Zverotic, auseinandergerissen wird, hat das Spiel am vergangenen Donnerstag in Chiasso gezeigt: Damals fehlte Zverotic und mit ihm die Stabilität.
Wie Jäckle ersetzt wird, hängt auch von Markus Neumayr ab: Er verliess am Sonntag nach 18 Minuten humpelnd den Platz, bei einem Schussversuch prallte er mit dem Knie in jenes des Gegenspielers. Am Montagnachmittag wurde Neumayr genauer untersucht, die genaue Diagnose steht noch aus, Gegner Xamax soll möglichst lange im Unwissen gelassen werden.
Doch Neumayrs Gangart am Montagvormittag und der für labile Gelenke ungesunde Kunstrasen sind Indizien dafür, dass der Spielmacher in Neuenburg für das Rückspiel am Sonntag im Brügglifeld geschont wird. Würde bedeuteten: Am Donnerstag steht beim FC Aarau ein Spieler auf dem Platz, der seit Monaten nicht mehr in der Startelf figurierte.
Patrick Rahmen hat sich auch gefragt, ob bei seiner Mannschaft ein Leistungsabfall drohe, ob sich in den Spielerköpfen Sättigung einnisten könnte. Seit Anfang Jahr war die Barrage das grosse Ziel, von der Super League hat keiner geredet. Jetzt sind die Aufstiegsspiele erreicht, aber eben, gewonnen ist nichts. Am Montag sprach Rahmen die Mannschaft darauf an, die Reaktion sei eindeutig gewesen: «Die Jungs sind heiss!»