Handball, NLA-Playouts
Aargauer Leidensgeschichte der besonderen Art: Der TV Endingen und das Drama

Nach zwei vergebenen Matchbällen kommt es für den TV Endingen am Sonntag (16.00 Uhr) in der Zürcher Saalsporthalle zur Finalissima gegen GC Amicitia um den Ligaerhalt in der NLA – die Ausgangslage für das alles entscheidende Spiel 5 verspricht Dramatik pur.

Dean Fuss
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Auf dieses Drama hätten sie gerne verzichtet: TVE-Torhüter Gabor Busa (l.) und Nemanja Sudzum nach dem 17:21 in Spiel 4.

Auf dieses Drama hätten sie gerne verzichtet: TVE-Torhüter Gabor Busa (l.) und Nemanja Sudzum nach dem 17:21 in Spiel 4.

Alexander Wagner

Es wäre so einfach gewesen. Nach den ersten beiden Spielen der Playoutserie gegen GC Amicitia führte der TV Endingen mit ebenso vielen Siegen. Zwei Spiele und ebenso viele Niederlagen später ist die gute Ausgangslage weg. Beim Stand von 2:2 kommt es am Sonntag (Anpfiff: 16.00 Uhr) in der Zürcher Saalsporthalle zu Spiel 5 – der Finalissima um den Ligaerhalt in der NLA.

«Das war ja eigentlich klar, ohne Drama geht es bei uns einfach nicht», sagt TVE-Geschäftsführer Christian Villiger nur Sekunden nach der 17:21-Niederlage in Spiel 4 am vergangenen Samstag gegenüber der «AZ».

Natürlich, eine souveräne Playoutserie mit 3:1 oder gar 3:0 Siegen wäre der jüngeren Vergangenheit des Surbtaler Klubs kaum gerecht geworden. Denn ohne Drama ging es in den vergangenen 15 Jahren tatsächlich kaum – einmal abgesehen vom Aufstieg in die NLA in der vergangenen Saison, als der TVE die Promotion in die höchste Schweizer Liga im Frühling 2017 bereits zwei Runden vor Abschluss der Saison sicherstellte.

Villiger ist seit der Saison 2001/02 beim TV Endingen im Amt. In dieser Zeit hat er mit seinem Klub, bei dem er zuvor auch noch selber als Torhüter zwischen den Pfosten gestanden hatte, so einiges an Dramen erlebt. Für die «AZ» erinnert er sich an die prägendsten:

Saison 2002/03

Zweitletzte Runde vor dem Saisonende. Zwischen dem TV Endingen und dem RTV Basel steht es kurz vor Schluss unentschieden. Bleibt es dabei, geht es im letzten Saisonspiel um alles. Gewinnt der TVE, sichert er sich den Ligaerhalt, verliert er, ist der Abstieg besiegelt. Trainer Werner Locher ersetzt seinen Torhüter durch einen siebten Feldspieler.

Volles Risiko – und es geht schief. Die Basler erkämpfen sich den Ball und treffen ins leere Tor. Sieben Jahre nach dem erstmaligen Aufstieg in die NLA müssen die Zurzibieter wieder runter in die Zweitklassigkeit. «Das war das erste richtige Drama, das ich beim TVE miterlebt habe», sagt Villiger.

Saison 2011/12

In den Jahren zuvor hat sich der TVE als «Lift-Mannschaft» einen Namen gemacht. Als Aufsteiger geht es in den Saisons 2007/08 und 2009/10 direkt wieder in die NLB zurück. Dasselbe Schicksal ereilt die Surbtaler auch in der Saison 2011/12, aber diesmal auf fast schon grausame Art und Weise: «Wir haben 21 Partien in Serie verloren und erst im letzten Spiel den ersten und einzigen Sieg geholt – ausgerechnet gegen GC Amicitia», erinnert sich Villiger.

Mit nur zwei Punkten muss der TVE in die Abstiegsrunde. «Obwohl wir uns dort vernünftig geschlagen haben, hat es am Schluss bei weitem nicht gereicht.» Zusammen mit dem TVE steigt im Frühling 2012 auch der Kantonsrivale HSC Suhr Aarau in die NLB ab.

Saison 2013/14

Der TV Endingen spielt eine starke Saison in der NLB. Kurz vor Schluss der Meisterschaft sieht es sogar nach Platz 1 und dem damit verbundenen direkten Aufstieg aus. Dann der Schock: In der 57. Minute des zweitletzten Spiels der Saison bricht TVE-Trainer Zoltan Cordas an der Seitenlinie zusammen. Die Niederlage gegen Basel verkommt zur Randnotiz, dass die Endinger deshalb den direkten Aufstiegsplatz an den HSC verlieren, ebenfalls. Cordas erholt sich wieder, seine Mannschaft nicht. Sie unterliegt Stäfa in der Barrage zweimal und verpasst den Aufstieg.

Saison 2015/16

Die letzte Partie der Hauptrunde, genauer deren Nachspiel wird zum regelrechten Krimi. Der TVE spielt zu Hause gegen den HSC. Die Ausgangslage ist einfach: Gewinnen die Endinger, sichern sie sich als Erstplatzierter den direkten Aufstieg. Endet die Partie unentschieden oder mit einer Niederlage, muss Endingen den Umweg über die Barrage nehmen. Die Partie endet 29:29, der TVE legt allerdings Protest gegen deren Wertung ein, weil die Matchuhr während eines Unterbruchs sechs Sekunden vor Spielende für vier Sekunden gelaufen war.

Nach langem juristischen Hickhack erhält der TVE Recht, es kommt zum Wiederholungsspiel. Dieses verlieren die Surbtaler in einer aufgeheizten Atmosphäre mit 26:30 und müssen deshalb in die Barrage gegen Fortitudo Gossau. Auch dort kommt es zum grossen Sekunden-Drama: 28:28 steht es im Rückspiel in der Ostschweiz, nach dem 24:24 vom Hinspiel würde das dem TVE zum Aufstieg reichen. Doch die Endinger kassieren tatsächlich in den letzten sechs Sekunden noch den entscheidenden Gegentreffer – und verpassen den Aufstieg. «Zweimal innert kürzester Zeit ging es in dieser Saison um die letzten sechs Sekunden einer Partie. Unglaublich», sagt Villiger rückblickend.

Saison 2017/18

Ein Drama zeichnet sich auch in der aktuellen Saison ab. In der Finalissima geht es um Sein oder Nichtsein. Der Sieger des fünften Duells zwischen dem TV Endingen und GC Amicitia bleibt in der NLA, der Verlierer steigt ab. «Ich erwarte, dass wir in der Verlängerung gewinnen – oder noch krasser, im Penaltyschiessen», zeigt sich Villiger überzeugt, dass auch die Saison 2017/18 als Drama in die Vereinschronik des TVE eingehen wird. Das bisherige Drehbuch der Serie lässt vermuten, dass es tatsächlich so weit kommen könnte.

Im Falle des Endinger Ligaerhalts gibt es 2018/19 nur ein Derby

Eine Hiobsbotschaft gibt es für die Aargauer Handball-Fans bereits im Vorfeld der Finalissima des TV Endingen in der Playoutserie gegen GC Amicitia. Denn auch wenn die Surbtaler den Ligaerhalt schaffen sollten, gibt es in der kommenden Saison nur ein gesichertes Aargauer Derby. Dies aufgrund des Modus, der die NLA für die Hauptrunde in zwei Gruppen aufteilt. Als Basis dafür dient die Abschlusstabelle der jeweils vorangehenden Saison. Gegen die Teams aus der eigenen Gruppe tritt man je einmal zu Hause und auswärts an. Gegen diejenigen aus der anderen Gruppe nur ein Mal – entweder zu Hause oder auswärts. Aufgrund des Ausgangs der laufenden Saison können der TV Endingen und der HSC Suhr Aarau nicht mehr in die gleiche Gruppe kommen. Stellt sich also nur noch die Frage, wer beim einzigen Kantonsderby der NLA-Hauptrunde in der kommenden Saison Heimrecht hätte. Zusätzliche Derbys wird es – immer vorausgesetzt, der TVE gewinnt übermorgen gegen GC – nur in Final- oder Abstiegsrunde oder einer allfälligen Playoff- oder Playoutserie geben.