Snowboard-WM
Aargauer Halfpipe-Weltmeisterin: «Richtig gefeiert? Ich bin doch erst 14-jährig!»

Berenice Wicki ist Junioren-Weltmeisterin in der Halfpipe. Die 14-Jährige gewann den Titel in ihrer Lieblingsdestination Laax. «Das war mein bester Tag in der Halfpipe», sagt sie.

Rainer Sommerhalder
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Die Aargauerin Berenice Wicki ist Junioren-Weltmeisterin in der Halfpipe.

Die Aargauerin Berenice Wicki ist Junioren-Weltmeisterin in der Halfpipe.

Philipp Ruggli

Sie wirkt im Gespräch älter und reifer, als sie effektiv ist. Ihre Aussagen haben Substanz, sind durchdacht. Ab und zu dringt der coole Slang der Snowboard-Community durch. Und erstaunlich selten schwingen in den Worten Emotionen mit. Dabei schwebt Berenice Wicki derzeit doch auf Wolke sieben.

Soeben hat die 14-Jährige aus Ennetbaden den Weltmeistertitel in der Halfpipe gewonnen. In ihrer Lieblingsdestination Laax. Gegen teilweise vier Jahre ältere Konkurrentinnen. Wie nur hat sie dieses Wunder geschafft? «Ich bin an diesem Tag an den Berg gegangen und habe nichts erwartet», sagt sie. Und einige Stunden später lautete ihr Fazit: «Das war mein bester Tag in der Halfpipe».

Schwarze Piste als Qualifikation

Nationaltrainerin Isa Jud kennt ihren Schützling, seit Berenice fünf Jahre alt war. Damals kam die junge Aargauerin, deren Familie in Davos eine Ferienwohnung besitzt, am Bolgen erstmals zu ihr in die Snowboardschule. Dafür musste das forsche Mädchen zuerst die familieninterne Qualifikationshürde meistern: mit den Skis die schwarze Piste runterbrettern. Berenice hielt nicht inne, bis sie diese Challenge meistern konnte. Es entspricht ihrem Naturell: «Wenn ich einen Trick nicht stehe, dann lasse ich nicht locker, bis er mir gelingt.»

Isa Jud bestätigt diesen Charakterzug der jungen Athletin. «Berenice denkt im Training extrem gut mit. Und sie ist eine freudige Person, die man gerne in seinem Team hat.» Die Goldmedaille in Laax verdiente sich die Aargauerin mit ihren sehr hohen Moves. «Andere zeigten schwierigere Tricks, aber niemand war mit seinem Brett so hoch in der Luft wie Berenice», sagt die Trainerin. «Sie hat an diesem Tag wirklich alles gezeigt, was sie kann. Und sie ist eine Athletin, die im Wettkampf regelmässig über sich hinauswächst.»

Isa Jud stand am Anfang der Snowboard-Karriere von Berenice Wicki und sie kreuzte den Weg danach immer wieder. Etwa vor sieben Jahren, als Berenice als jüngste Teilnehmerin beim allerersten «Swiss Snowboard Girlscamp» auftauchte. Dort betreiben die Schweizer Stars der Szene Nachwuchsförderung. Mit elf Jahren kam Berenice Wicki bereits ins nationale Kader, mit zwölf zog sie zuhause aus und wohnt seither im Internat in Davos, wo sie die Talent-Klasse besucht und vor kurzem die Aufnahmeprüfung für das Sportgymnasium ablegte. Ob sie bestanden hat, entscheidet sich nächste Woche.

«Berenice ist unglaublich selbstständig», schwärmt Isa Jud. Und sie lebe für ihren Traum, eines Tages Snowboard-Profi zu werden, so ihr Geld zu verdienen und an Olympischen Spielen teilzunehmen. Inspiriert vom Vorbild der beiden älteren Brüder, durch die Tuchfühlung mit den Stars der Szene und dank dem Erfolg von Iouri Podladtchikov bei den Olympischen Spielen. «Um meine Träume zu erreichen, habe ich mir Teilziele gesetzt», sagt der 1.64 m grosse Teenager.

Nationaltrainerin Isa Jud

«Berenice denkt im Training extrem gut mit. Und sie ist eine freudige Person, die man gerne in seinem Team hat.»

Eines war die Aufnahme in die Davoser Sportschule, ein anderes die Junioren-Weltmeisterschaft. «Als ich nach Davos kam, war die Freude so gross, dass ich den Abschied von der Familie relativ gut verdaute. Ich glaube, für meine Eltern war es schwieriger als für mich», sagt die 14-Jährige, die früher auch sieben Jahre lang Karate betrieb und an den freien Wochenenden gemeinsam mit ihrer Mutter noch immer gerne ausreitet.

Doch noch der Jö-Effekt

Nur ab und zu vermisse sie ihre Eltern, die sie während der Wettkampfphase oft mehrere Wochen nicht sieht. Und als wollte Berenice ihre überdurchschnittliche Selbstdisziplin hervorheben, sagt sie: «Es ist nicht immer einfach. Es gibt kein Mami mehr, das dir sagt, wann du die Hausaufgaben erledigen sollst.» Keine Frage, Berenice Wicki ist ausserordentlich reif für ihr Alter. Nur einmal während des Gesprächs wirkt der Jö-Effekt.

Die Ennetbadenerin erklärt, dass sie den Erfolg auch drei Tage nach ihrem WM-Titel noch nicht richtig realisiert habe. Und sie antwortet auf die Frage, ob sie zumindest so richtig zum Feiern kam: «Ich bin doch erst 14-jährig. Ich kann in diesem Alter noch nicht gross in den Ausgang.» Aber gross abräumen.