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Nach dem Scheitern von YB in den Playoffs beginnt die Champions League heute ohne ein Team aus der Schweizer Super League. Eine Rundschau.
Es gäbe in diesen Tagen gewiss klügere Ideen, als sich in ein Flugzeug zu setzen und eine Destination zwischen Krasnodar und Porto anzusteuern. Jetzt, wo doch gerade die zweite Welle der Corona-Pandemie wuchtig über Europa schwappt. Weil aber just in dieser Woche der Europacup seinen Spielbetrieb aufnimmt, wird gleichwohl kreuz und quer über den Kontinent gejettet. Zwar oft mit Charter- statt mit Linienflügen, doch vor einer Ansteckung ist dennoch niemand gefeit. «Diese Reiserei ist gefährlich», sagt Lucien Favre.
Der Trainer von Borussia Dortmund spricht aus Erfahrung, musste er doch am Samstag in Hoffenheim auf Manuel Akanji verzichten, der beim Zusammenzug der Schweizer Nationalmannschaft vor den Spielen in der Nations League positiv auf das Coronavirus getestet worden war. Und beim Gegner fehlte Topskorer Andrej Kramaric, der sich während der Länderspielreise mit Kroatien angesteckt hatte.
Natürlich ist Favre gestern dennoch mit dem BVB nach Rom geflogen, wo heute gegen Lazio gespielt wird. Zwei Monate nach den mitreissenden Geister-Finalturnieren in Lissabon und Deutschland muss die Geldmaschine Europacup ja zwingend wieder anlaufen. Akanji war zwar nicht an Bord, dafür die beiden Schweizer Goalies Roman Bürki und Marwin Hitz. Wird Ersterer in sämtlichen Gruppenspielen eingesetzt und kämen dann noch zwei Achtelfinals dazu, würde er in der Rangliste der Schweizer CL-Dauerbrenner mit 37 Einsätzen Stephan Lichtsteiner auf Rang 3 verdrängen.
Wer aber läge dann noch vor ihm? Xherdan Shaqiri? Stéphane Chapuisat? Granit Xhaka? Yann Sommer?
Als die Champions League 1992 den altgedienten Europacup der Landesmeister ablöste, begann im europäischen Klubfussball eine neue Ära. Präsident Christian Constantin rüstete den FC Sion extra auf, um an die neuen Geldtöpfe zu kommen, doch der Schweizer Meister verpasste gegen Galatasaray die Qualifikation und wurde zum finanziellen Scherbenhaufen. Auch Aarau und Servette überstanden in den folgenden zwei Jahren die Ausscheidung nicht. So war es 1995 den Grasshoppers unter Trainer Christian Gross vorbehalten, als erstes Schweizer Team im Konzert der Grossen mitzumischen.
Mit dabei bei der Premiere gegen Ferencváros Budapest war auch Johann Vogel, mit 18 Lenzen bereits Stammspieler und nicht ahnend, dass in den nächsten elf Jahren noch 51 weitere Partien in diesem Wettbewerb folgen würden. Acht im GC-Trikot, 38 in jenem der PSV Eindhoven und fünf im rot-schwarzen der AC Milan. So wurde Vogel mit 52 Partien zum Rekordspieler, der er bis heute geblieben ist.
Aber wie Lichtsteiner schaffte es auch der aktuelle Schweizer U-19-Nationaltrainer nicht, den Titel zu gewinnen. Xherdan Shaqiri dagegen hat den Kübel zweimal geholt, auch wenn sein Anteil an den Triumphen des FC Bayern München und des FC Liverpool bescheiden war. Das gilt auch für Ciriaco Sforza bei seinem Titelgewinn mit den Bayern. Stéphane Chapuisat dagegen war bei Dortmund Stammspieler und Publikumsliebling, als er 1997 nach dem Sieg gegen Juventus den Henkelpott in die Höhe stemmte.
Mit 31 Einsätzen für den FC Basel, Bayern und Liverpool ist Shaqiri von den aktuell in der Champions League beschäftigten Schweizern in diesem Wettbewerb am häufigsten aufgelaufen. Weil indes davon auszugehen ist, dass er bei den Reds auch künftig nicht jedes Spiel macht, könnten ihn die Goalies Bürki (29 Partien für den BVB) und Sommer (26 Spiele für den FCB und Gladbach) noch in dieser Saison überholen.
In der 29. Ausgabe der Champions League mischen ab Dienstag mit Nico Elvedi, Denis Zakaria, Breel Embolo und Michael Lang (alle Mönchengladbach), Remo Freuler (Atalanta Bergamo) und Noah Okafor (Red Bull Salzburg) noch weitere Eidgenossen mit. Insgesamt sind elf Schweizer dabei, nach dem Scheitern der Young Boys in den Playoffs gegen Midtjylland fehlt aber eine Mannschaft. Auf der Strecke geblieben sind in der Qualifikation auch Mario Gavranovic mit Zagreb, Haris Seferovic mit Benfica und Albian Ajeti mit Celtic.
Wer noch am Montagmorgen auf der Homepage der Uefa die Kaderlisten der 32 Klubs durchforstete, wurde bei jener des FC Sevilla stutzig. Da tauchte doch tatsächlich ein weiterer Schweizer auf: Ivan Rakitic. Auf die Anfrage, warum der 32-Jährige, der 106 Länderspiele für Kroatien bestritten hat, nicht als Kroate aufgeführt sei, schrieb die Uefa am Montagmittag nur: Wir haben es geändert... Wäre die Uefa bei ihrer ersten Version geblieben, hätte Rakitic mit 72 Einsätzen für den FC Schalke 04 und den FC Barcelona unverhofft den Thron des «Schweizer» Rekordspielers bestiegen. Auch war der Aargauer bei den Katalanen unbestrittener Stammspieler, als er mit diesen gegen Juventus die Trophäe gewann.
Bei einem Blick auf das Nationalitäten-Ranking der Champions League fällt die überragende Dominanz der Spanier auf. Aber auch, dass sich mehr Portugiesen (Einwohnerzahl 10,28 Millionen) in der Königsklasse tummeln als Italiener (60,36) und Engländer (55,989). Und: In den letzten zehn Jahren sind 140 Schweizer zum Einsatz gekommen, während das gut vergleichbare Österreich es nur auf 74 Akteure bringt. Mit David Alaba von Bayern aber einen aktuellen Sieger stellt.