Im Alter von 18 Monaten erhielt der heute 16-jährige Nico Riniker die Diagnose «Angelman-Syndrom». Wie wirkt sich seine schwere Behinderung im Alltag aus?
Dieser Artikel wurde von der Verlagsredaktion der CH Regionalmedien AG im Auftrag der Partner von Gesundheit Aargau erstellt. Hier geht es zu den Richtlinien für Promoted Content und Sponsored Content der CH Regionalmedien AG.
Zufrieden mit sich und der Welt sitzt Nico Riniker auf dem Wohnzimmerboden und zerreisst ein Stück Altpapier nach dem anderen. «Eine Beschäftigung, die ihm schon immer viel Spass gemacht hat», erklärt seine Mutter, Alexandra Riniker, die zusammen mit ihrem Mann Urs und den beiden jüngeren Kindern Noah (13) und Mia (9) in Baden ein Reiheneinfamilienhaus bewohnt. Aus diesem Grund müsse in ihrem Haushalt immer etwas Altpapier vorrätig sein, denn, so Alexandra Riniker: «Wenn Nico etwas haben will und es nicht bekommt, kann er ganz schön hartnäckig sein.»
Auf die Welt gekommen ist Nico am 2. November 2004. Die ersten Wochen nach der Geburt sei alles «ganz normal» verlaufen, erzählt die Mama. Erst nach zwei, drei Monaten sei aufgefallen, dass sich Nico nicht so entwickelt wie andere Kinder in seinem Alter. Doch es sollte noch gut ein Jahr dauern, bis die Sorge der Familie Riniker so gross geworden war, dass sie im Kantonsspital Aarau (KSA) einen Gentest durchführen liessen. Einige Wochen später sei ihnen von einem Genetiker und einer Neurologin das Resultat des Tests überbracht worden. Alexandra Riniker: «Als wir in die ernsten Gesichter der beiden Fachärzte sahen, die uns auf dem Spitalgang entgegenkamen, war uns sofort klar, dass sich unsere schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet hatten.»
Nach der Diagnose «Angelman-Syndrom» habe es ein, zwei Jahre gedauert, bis sie wieder Boden unter den Füssen gehabt hätten, sagt die Mutter, die heute als Grafikerin in einem kleinen Arbeitspensum in einem Architekturbüro tätig ist. Da Nico in seinem Rollstuhl sehr mobil sei, er allfällige Gefahren aber nicht einschätzen könne und zudem unter vielen epileptischen Anfällen leide, sei er rund um die Uhr auf eine 1:1-Betreuung angewiesen, erzählt sie weiter. Zudem sei Nico sehr neugierig und finde es lässig, etwas in Einzelteile zu zerlegen. Ein «Hobby», das auch vor Lampen, Möbeln oder Büchern nicht Halt mache ... Zum Glück sei seine Betreuung auf viele Säulen abgestützt, fährt Riniker fort. «So können wir unsere Kraft einteilen und auch unsere beiden anderen Kinder kommen nicht zu kurz.»
Seit vielen Jahren verbringt Nico rund die Hälfte der Woche in der Stiftung Schürmatt in Zetzwil. Wenn er zu Hause ist, erhält die Familie grosse Unterstützung von Nicos Grosseltern sowie diversen Assistenzhilfen. «Alles in allem ist es für Eltern von schwerbehinderten Kindern von entscheidender Bedeutung, dass man gut loslassen kann und Vertrauen in andere Menschen und Institutionen hat», ist Alexandra Riniker überzeugt. «Ansonsten besteht die Gefahr, dass man irgendwann ausbrennt und an der Aufgabe zerbricht.»
An ihren gemeinsamen Tagen unternimmt die Familie zusammen Spaziergänge, macht Ausflüge mit der Bahn oder dem Bus oder bleibt auch oft einfach zu Hause. Nico zerreisst – wie gesehen – mit grossem Enthusiasmus Papier und Kartonschachteln, hat gerne Wasser, liebt seine Stofftiere und hört gerne Musik. Früher seien sie mit ihm auch ein paar Mal an die Nordsee in die Ferien gefahren, erzählt Urs Riniker. Eine Idee, die sich allerdings nicht bewährt habe. Da es Nico am wohlsten sei, wenn er seinen gewohnten Tagesrhythmus sowie seine fixen Rituale habe, sei er in der Fremde überhaupt nicht zur Ruhe gekommen. Von da an gab es immer wieder mal Ferienwochen ohne Nico. Der Vater ergänzt: «Nur dank einer guten externen Betreuung gelingt es uns loszulassen, damit die eigenen Akkus wieder aufgeladen werden können. Auch für Nicos Geschwister ist es sehr wichtig, zu wissen, dass es Zeiten gibt, in denen sie unsere volle Aufmerksamkeit haben und nicht immer hintenanstehen und verzichten müssen.»
Alles in allem hätten sie das Gefühl, dass es Nico meistens gut gehe, sagen seine Eltern unisono. Seine kognitive Entwicklung gehe noch immer Stückchen für Stückchen voran, und insbesondere in der Stiftung Schürmatt könne er auch Freundschaften pflegen. Schwierig sei einfach, dass er wie alle Angelman-Betroffenen nicht sprechen könne, sagt Alexandra Riniker. Aufgrund der Tatsache, dass Nico zwar vieles verstehe, was man mit ihm bespreche, es jedoch nicht schaffe, sich gezielt mitzuteilen, würden immer wieder schwierige Situationen resultieren. Aber nach vielen gemeinsamen Jahren habe sie das Gefühl, dass sie ihren Sohn gut «lesen» könne und er ein zufriedenes Leben führe.
Das Angelman-Syndrom ist die Folge einer seltenen Genbesonderheit auf dem Chromosom 15. Charakteristisch für das Angelman-Syndrom ist eine starke Verzögerung der körperlichen und geistigen Entwicklung sowie das fehlende Sprechvermögen. Angelman-Kinder sind oft hyperaktiv, haben Mühe, sich zu konzentrieren, und leiden zum Teil unter massiven Schlafstörungen. Drei von vier Angelman-Kindern haben Epilepsie und darum regelmässig epileptische Anfälle. Menschen mit Angelman-Syndrom haben eine normale Lebenserwartung. Eine Aussicht auf Heilung besteht bislang nicht. (mko)