Amtsgericht Thal-Gäu
Nächtlicher Gang an Bankomat mit Postkarte der Freundin: Beschuldigter erbeutete 13'000 Franken

Ein Mann betrog seine Freundin, indem er ihr nachts die Postkreditkarte entwendete und Geld abhob, während sie schlief. Zu Beginn der Verhandlung am Amtsgericht Thal-Gäu bot der Beschuldigte an, die Schuld zu begleichen.

Yann Schlegel
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Nachts hob der Beschuldigte jeweils Geld vom Postkonto der Freundin ab, ohne dass sie es merkte.

Nachts hob der Beschuldigte jeweils Geld vom Postkonto der Freundin ab, ohne dass sie es merkte.

KEYSTONE/CHRISTIAN BEUTLER

Eine Frage ganz zu Beginn stellte die Verhandlung auf den Kopf. Sie kam von Martin Vogt, dem Verteidiger des Beschuldigten und richtete sich an die Klägerin Sara H.*: «Wären Sie bereit, die Anklage zurückzuziehen, wenn er Ihnen ein Angebot macht?» Sein Mandant Christian B.* sei motiviert, das geforderte Geld zurückzuzahlen. «Wann ist Ihnen diese Idee gekommen?», fragte Staatsanwältin Petra Grogg den Beschuldigten in der Befragung danach. Dieser antwortete: «Heute.»

Das Angebot sorgte zunächst für Verwirrung und führte dazu, dass die beiden Parteien den Saal verliessen, und begannen im Flur Verhandlungen zu führen. Währenddessen klärte Statthalterin Barbara Steiner ab, ob dies rechtlich zulässig sei. Die konfuse Situation schuf Ungewissheit und schaukelte sich Hoch. Derweil machte der Beschuldigte Telefonate nach Deutschland, um abzuklären, ob die Mutter das Geld für einen Vergleich aufbringen würde. Weil sein Handy «spinnte», musste er dies mit jenem seines Anwalts tun. Beide Parteien einigten sich darauf, dass die Klägerin womöglich die Anklage zurückziehen würde, wenn der Beschuldigte bis November zusichert, die Forderung zu begleichen. Gemäss Anklageschreiben beläuft sich diese auf knapp 21'000 Franken.

Insgesamt knapp 13 000 Franken abgehoben

Das Angebot von Christian B. liess ein Geständnis vermuten. Und dieses folgte in der anschliessenden Befragung, welche die Statthalterin durchführte. Die Plädoyers würden gegebenenfalls am 27. November folgen. Bis dahin könnte sich die Ausgangslage jedoch verändern, sollte Sara H.* die Anklage zurückziehen.

Was rechtlich als «gewerbsmässiger betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage» bezeichnet wird, bedeutet übersetzt das unbefugte Geldabheben an einem Bankomaten.

Sara H. und Christian B. lebten gemeinsam in einem Gäuer Dorf, nachdem 2016 ihre Beziehung begonnen hatte. Erstmals geschah es im März 2017: Christian B. entwendete nachts die Postkreditkarte seiner schlafenden Freundin, um am Postomaten Geld abzuheben und sich zu bereichern. Die Karte legte er dann ins Portemonnaie zurück. Dieser Vorgang wiederholte sich innerhalb von neun Monaten 30 Mal. Christian B. erbeutete damit insgesamt knapp 13 000 Franken. Die Höhe der Bezüge nahm tendenziell mit Fortdauer zu.

Die Befragung hierzu dauerte nicht lange: Christian B. gab zu, in diesem Punkt schuldig zu sein. Er hatte dies bereits gegenüber der Staatsanwaltschaft bestätigt. Auch gestand der Beschuldigte, im Streit mit der damaligen Freundin einen Laptop und eine Schranktüre beschädigt zu haben.

Vage und teilweise widersprüchlich wurden die Aussagen von Christian B., als es um den Vorhalt häuslicher Gewalt ging. So soll er Sara H. wiederholt vorsätzlich tätlich angegriffen haben. Christian B. gab zu, es sei zu heftigen verbalen Auseinandersetzungen gekommen. Wie eine Zeugin eingangs berichtet hatte. Er habe die Klägerin nie geschlagen. Er sprach von «Schubsern» und von einem «Wegstossen».

Nach der Trennung von Sara H. verstiess der Beschuldigte weiter gegen das Gesetz. Zweimal lenkte er ohne Führerausweis ein Auto. Die deutschen Behörden hatten Christian B. den Ausweis im Jahr 2002 auf unbestimmte Zeit entzogen. Auch diese Vergehen stritt der Beschuldigte nicht ab.

Christian B. ist heute in der Region Zürich zu Hause, wo seine aktuelle Freundin für seinen Unterhalt aufkommt. Denn der Beschuldigte fand nicht aus den finanziellen Schwierigkeiten heraus: Seit 2017 hat er keine feste Stelle mehr gehabt. In den letzten Jahren habe er kaum für die Alimente seiner zwei in Deutschland lebenden Kinder aufkommen können.
Kurz war die Befragung der Privatklägerin, die von der unerwarteten Wende zu Beginn der Verhandlung sichtlich überrumpelt worden war.