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Auch in Neuendorf wird die Tradition der Stäcklibuebe gelebt. Dort stellte der Jahrgang 1999 am 30. April gegenüber der Kirche eine 23 Meter hohe Mai-Tanne auf. Der Jahrgang 2000 war zuständig für das Verschleipfen von Gegenständen.
Am 30. April um 20 Uhr war in Neuendorf alles bereit für den Brauch der Stäcklibuebe: Die Festwirtschaft vis-à-vis der Kirche war eingerichtet und bis auf den letzten Platz besetzt. Die jungen Erwachsenen, heuer mit dem Jahrgang 1999, hatten im Dorf Plakate aufgehängt und in sozialen Medien Werbung gemacht. Doch eine essenzielle Sache fehlte noch: Das Maitannli war noch nicht gestellt. Kurz darauf wurden alle nach draussen gerufen, die 23 Meter lange Tanne wurde angeliefert.
Auf Grund der Länge des Baumes war einiges an Improvisation gefordert: Während der untere Teil der Tanne auf dem Anhänger eines Traktors lag, wurde der obere Teil von einer grossen Schubkarre gestützt. Dank einer Vorrichtung auf dem Platz wurde das Aufrichten vereinfacht. Trotzdem dauerte es aber rund eine halbe Stunde, bis die riesige Tanne mit maschineller Hilfe aufgestellt war. Zuletzt wurden Namensschildchen von allen Neuendörfern mit Jahrgang 1999 angebracht; wer nicht mitgeholfen hatte, hing kopfüber. Zudem montierten die Jahrgänger jede Menge Maschendrahtzaun um den Stamm des Baums, um die Maitanne vor möglichen Angriffen zu schützen.
Während die 99er damit beschäftigt waren, die Tanne zu stellen, wurden die 2000er langsam nervös. Sie wollten losziehen, schliesslich durften sie in diesem Jahr «verschleipfen». Das heisst, sie zogen durchs Dorf und sammelten umherstehende Gegenstände ein. Wer sich davor schützen wollte, stellte etwas zu Trinken für die Jugendlichen, meist war es Bier, vor seine Haustüre. Die rund 15 Mädchen und Jungen mit Jahrgang 2000 machten sich dann mit zwei alten Postwagen auf den Weg durch das Dorf, um ihre Nacht zu feiern. Zu Liedern wie «Stand by me» von Ben E. King oder «Three little birds» von Bob Marley wurden Unihockey-Tore, alte Hometrainer und Bier eingesammelt. «Hött dörfe mer das», war mehrmals zu hören, man werde ja nur ein einziges Mal volljährig.
Was für Aussenstehende ein skurriles Bild abgeben mag, machte in dieser Nacht für alle Teilnehmer Sinn und Spass und so wurden die jungen Erwachsenen von der Schreibenden und dem Fotografen bald in die Anonymität der Nacht entlassen.
Wieder zurück bei der Festwirtschaft war auch nach 22 Uhr immer noch Hochbetrieb. Die Menschen hinter dem Buffet hatten alle Hände voll zu tun, um die Besucher aus dem Dorf zu bewirten. Und wer auf sein Essen wartete, konnte die neuen dunkelroten Pullis begutachten: Alle mit Jahrgang 1999 waren mit Namen angeschrieben, auf dem Rücken prangte das Jahrgangsmotto: «The last 90’s Kids – nach uns kommen nur noch Nullen». Mottogetreu wurde auch über den nächsten Jahrgang gesprochen: «Wir haben letztes Jahr viel mehr verschleipft» oder «die werden niemals eine gleich grosse Tanne haben wie wir», war etwa zu hören. Ob das stimmt, kann in einem Jahr überprüft werden.
Gegen Mitternacht leerte sich die Festwirtschaft langsam und Samuel Haller und Lara Büttiker, die zusammen einen Grossteil der Organisation stemmten, zogen ein erstes Fazit. Büttiker meinte: «Ich bin froh, ist alles so gut gelaufen. Es war anstrengend zum Organisieren.» Auch Haller war positiv gestimmt: «Wir sind überrascht, wie viele Leute in unsere Festwirtschaft gekommen sind.» Diese sollte offenbleiben, so lange noch irgendjemand aus dem Jahrgang anwesend war, schliesslich musste ja das Tannli sowieso bewacht werden. Es waren denn auch tatsächlich einige Jahrgänger aus anderen Dörfern anwesend, etwa aus Kappel oder aus Egerkingen. Allerdings nur, um Kollegen zu besuchen und etwas zu trinken.
Ob die Neuendörfer 2000er ihr Ziel, ein altes Herrenvelo über eine Strassenlaterne zu ziehen, erreicht haben, konnte nicht mehr in Erfahrung gebracht werden. Sicher ist hingegen, dass das Maitannli die Nacht überstanden hat und am Morgen danach noch immer stolze 23 Meter in den Himmel ragte.