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Solothurn
Thal-Gäu
Ein 63-jähriger Mann wähnte sich bei seiner Fahrt von Oensingen in Richtung Balsthal im Ausserortsbereich. Diese Fehleinschätzung und der Gang vor Gericht kommen ihn teuer zu stehen. Er war mit 76 km/h in der Tempo-50-Zone geblitzt worden.
«Ich war an diesem Tag auf der Rückfahrt von Rumisberg und bog in Oensingen beim Restaurant Stampfeli in die Lehngasse ab. Danach fuhr ich in Richtung äussere Klus in Balsthal», berichtete der 63-jährige Landwirt aus dem Thal auf Nachfrage von Amtsgerichtsstatthalterin Barbara Steiner.
Dass er auf der Höhe des Leuentälis geblitzt worden sei, habe ihn schon verwundert.
«Ich war in diesem Moment der festen Überzeugung, dass ich mich im Ausserortsbereich befinde», führte der Mann weiter aus. Das sei vorher über Jahrzehnte so gewesen.
Dass inzwischen auf der ganzen Strecke Tempo 50 gelte, habe er nicht bemerkt, zumal an dieser Stelle auch kein Verkehrsschild mehr stehe. Er erinnere sich daran, dass früher in diesem Bereich Tempo 50 aufgehoben und bis in die äussere Klus Tempo 80 erlaubt gewesen sei.
Verkehrsschild ersatzlos entfernt
Für Rechtsanwalt Christoph Schönberg, Solothurn, ist das der Hauptgrund, warum sein Mandant am 25. Februar 2014 kurz vor 15 Uhr statt mit den erlaubten 50 km/h mit 76 km/h in die mobile Radarfalle der Polizei gefahren ist.
Dafür verantwortlich machte Schönberg auch den Kanton. Dieser habe die Signalisation auf dem erwähnten Streckenabschnitt geändert, ohne dies öffentlich genügend wirksam publik zu machen.
Dazu komme, dass die alten Schilder ersatzsatzlos entfernt worden seien. Ein Tempo-50-Schild sei an dieser Stelle aber zwingend notwendig, weil sich auf der Südseite der Strasse keine Häuser befänden.
Von der Ortseinfahrt in Oensingen bis in die äussere Klus kein weiteres Verkehrsschild für die erlaube Geschwindigkeit zu platzieren, sei ein Mangel und verstärke den Eindruck für Autofahrer, sich ausserhalb der Ortschaft zu befinden.
Die ungenügende Signalisation habe wesentlich dazu beigetragen, dass sein Mandant mit rund 80 km/h statt der erlaubten 50 km/h unterwegs gewesen sei.
Unter Berücksichtigung der beschriebenen Situation könne deshalb nicht von einer groben Verletzung der Verkehrsregeln gesprochen werden, wie das die Staatsanwaltschaft tue.
«Wäre an besagter Stelle eine Tafel gewesen, hätte sich mein Mandant an die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit gehalten, stellte Schönberg in den Raum.
Viele Blitzer an der Lehngasse
Dass die durchgehend geltende Tempo-Limite vom 50 km/h auf der Lehngasse noch längst nicht allen Automobilisten bekannt ist, bestätige der zur Verhandlung aufgebotene Polizeibeamte, der das Gerät an jenem Tag aufgestellt und bedient hatte.
Rechtsanwalt Christoph Schönberg unterstellte den Kanton in diesem Zusammenhang die Überschreitung seiner Kompetenzen. Neue Tempo-50-Zonen würden nach Belieben und ohne rechtliche Grundlage eingeführt.
Schönberg verlangte abschliessend die Aufhebung des Strafbefehls der Staatsanwaltschaft gegen seinen Mandaten wegen grober Verletzung der Verkehrsregeln. Stattdessen sei eine Ordnungsbusse wegen einfacher Verletzung der Verkehrsregeln auszusprechen.
Das Gericht folge diesem Antrag nicht und bestätigte stattdessen den Schuldspruch der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte habe an jener Stelle nicht davon ausgehen können, sich im Ausserortsbereich zu befinden, führte Amtsstatthalterin Barbara Steiner dazu aus.
Vielmehr müsse dort wegen der Industriebetriebe beim Leuentäli mit Lieferantenfahrzeugen sowie der nahen Häuserreihen auf der Nordeseite mit Velofahrern und Fussgängern gerechnet werden.
Dass die Ortstafel nicht mehr am selben Ort stünde und das erwähnte Verkehrsschild gänzlich fehle, spiele dabei keine Rolle. Das Verschulden des Angeklagten wurde vom Gericht als mittelschwer eingestuft.
Gericht erhöht Geldstrafe
Der Gang vor Amtsgericht hat sich für den Landwirt nicht gelohnt. Statt der von der Staatsanwaltschaft ausgesprochenen Strafe von 20 Tagessätzen zu je 60 Franken oder 1200 Franken muss der 63-Jährige jetzt laut Urteil eine solche von 15 Tagessätzen zu je 150 Franken respektive 2250 Franken bezahlen.
Dafür wurde die Busse von 800 auf 500 Franken reduziert. Dazu kommen die Verfahrenskosten in der Höhe von 800 Franken. Der Verurteilte und sein Anwalt ziehen in Erwägung, das Urteil vor Obergericht weiterzuziehen.