In der Wohnschule der Stiftung Arkadis an der Hardfeldstrasse in Olten lernen Frauen und Männer mit einer leichten kognitiven Beeinträchtigung, wie sie selbständig Wohnen können.
Die Treppe hinauf führt der Weg in den dritten Stock, direkt hinein in die Schulstube. Ein umfunktioniertes Wohnzimmer mit grossen Arbeitstischen in der Mitte. Es ist 15 Uhr. Thomas, Corin und Dino, die ein Stockwerk tiefer ihre Zimmer haben und im Unterricht mit Sozialpädagoge Severin heute auf die vergangene Projektwoche zurückblicken, legen gerade eine Pause ein.
Ein apfelgrünes Kochbuch liegt auf dem Tisch. «Seit zwei Monaten bin ich Vegetarier», erklärt Thomas mit einem gewissen Stolz. Zwar reize ihn das Fleischangebot beim Einkaufen im Laden schon immer noch, aber bisher habe er der Versuchung widerstanden. «Wegen der Tiere.» Thomas ist an diesem Tag zuständig für das Nachtessen. Gericht auswählen, Rezept studieren, Zutaten besorgen und schliesslich die Kochlöffel schwingen.
Das sind heute seine Aufgaben. Kein zu unterschätzendes Unterfangen. Schliesslich wollen acht Kolleginnen und Kollegen satt und zufrieden den Tag ausklingen lassen. Thomas hat sich vorgenommen, Tomatenauflauf mit Käsestreuseln zu machen. Eine vegetarische Herausforderung, die er motiviert annimmt.
In der Wohnschule der Stiftung Arkadis in Olten leben Frauen und Männer mit einer leichten kognitiven Beeinträchtigung. Jeder mit einer eigenen Geschichte. Was sie miteinander verbindet, ist das Ziel, auf das sie hinarbeiten. Nach drei Jahren, wenn ihr Aufenthalt in der Wohnschule in der Regel zu Ende geht, wollen sie ein weitgehend selbstständiges Leben führen. Das kann bedeuten, eine eigene Wohnung zu beziehen, Teil einer Wohngemeinschaft zu werden oder in eine Aussenwohngruppe der Stiftung Arkadis umzuziehen.
Zur angestrebten Unabhängigkeit gehört es, Aufgaben, die ein eigener Haushalt mit sich bringt, selbst erledigen zu können. Ordnung ins Zimmer bringen, Bad machen und Dusche putzen zählen – nicht weiter verwunderlich – nicht zu Thomas’ Lieblingsaufgaben. Er sieht die Sache jedoch nüchtern: «Will man selbstständig werden, gehört das halt dazu.» Mit Dino, der so oft als möglich die Schweiz bereist und glücklicher Besitzer eines Generalabonnements ist, teilt er die eine grosse Leidenschaft: das Turnen.
Alle Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses mit der nicht zu übersehenden orangegelben Fassade hinter dem Bahnhof gehen neben dem Unterricht in der Wohnschule einer Arbeit nach. Thomas etwa arbeitet in der Borna in Rothrist.
«Die Motivation ist bei allen Bewohnenden sehr hoch, weil sie ein Ziel ins Auge gefasst haben», sagt Leiter Martin Zumsteg. Ihr Ziel: nach der Schulung ein möglichst selbstbestimmtes Leben führen zu können. «Die Bewohnenden bringen bei ihrem Eintritt bereits viel Selbstverantwortung mit. Wir sind dafür da, sie zu ermutigen, neue Dinge auszuprobieren und sich die Aufgaben des Alltags zuzutrauen.» Das schafft Selbstvertrauen und Sicherheit für ein künftiges Leben ohne Betreuung. In Kleingruppen von jeweils bis zu drei Personen, die abwechselnd an einem Nachmittag pro Woche unterrichtet werden, sollen positive Lernerlebnisse geschaffen werden. Dabei spielt die Entwicklung persönlicher und sozialer Kompetenzen eine wichtige Rolle.
Im Weiteren wird das Gelernte auch gleich in die Praxis umgesetzt. Das geht vom bargeldlosen Zahlen mit der Karte bis zum selbst gemachten Pizzateig. So wurde auch das Thema Umwelt der eben erst abgeschlossenen Projektwoche von den Wohnschülerinnen und -schülern gleich in den Alltag übertragen. Gemeinsam haben sie unter anderem den Keller entrümpelt und eine neue Sammelstelle für Plastikabfall eingerichtet.
Wo Menschen miteinander leben, sind gewisse Regeln unabdingbar. Damit der Hausfrieden nicht in Schieflage gerät. Eine dieser Regeln in der Wohnschule: Beim allabendlichen gemeinsamen Nachtessen an den zwei Tischen im Esszimmer sollen die Bewohnenden vorzugsweise mit den Sitznachbarn reden und sich nicht über die Tische und Köpfe der anderen hinweg miteinander unterhalten. Dann und wann ist ein erinnerndes Wort eines Betreuenden nötig, der ebenfalls am «Familientisch» sitzt und mitisst.
Später, wenn die Bewohnenden sich in ihre Zimmer zurückziehen, ist der Arbeitstag auch für die Mitarbeitenden der Wohnschule zu Ende und sie verlassen das Haus. An den näher kommenden Abschied aus der Wohnschule mag Thomas noch nicht so richtig denken. «Mir gefällt es hier super. Ich bin sehr dankbar für die Unterstützung von Severin und den anderen.» Ein gutes halbes Jahr bleibt Thomas noch. Für ihn im Moment aber dringlicher ist die Sache mit dem Znacht. Die Einkaufsliste ist gefasst. Ab in den Sälipark. Damit der Auflauf rechtzeitig auf den Tisch kommt und es Feierabend gibt an der Hardfeldstrasse.