Geschichte
Vor genau 300 Jahren am Galgen des solothurnischen Hochgerichts gehängt — ein Rückblick

Am 9. März 1720 wurde Antoine Louis Mairet nahe der heutigen Gemeindegrenze zwischen Feldbrunnen und Riedholz am Galgen des solothurnischen Hochgerichtes erhängt. Ein Rückblick in die Zeit, als die Richtstätte der Solothurner Obrigkeit noch genutzt wurde.

Hansueli Jordi
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Vor zehn Jahren wurden bei der Richtstätte Knochen gefunden, die heute in der Kantonsarchäologie aufbewahrt werden.

Vor zehn Jahren wurden bei der Richtstätte Knochen gefunden, die heute in der Kantonsarchäologie aufbewahrt werden.

Michel Lüthi

Heute vor genau 300 Jahren – am 9. März 1720 – wurde am Galgen des solothurnischen Hochgerichtes Antoine Louis Mairet gehängt. Er stammte aus Namur in Flandern, welches damals zu Frankreich gehörte, heute aber belgisch ist. Dieser damalige, gemauerte Galgen befand sich oben auf dem Steinenberg, nahe der heutigen Gemeindegrenze zwischen Feldbrunnen und Riedholz, wenige Meter vom heutigen Bipperlisi-Trassee entfernt.
Der junge, 19-jährige Antoine Louis Mairet hatte sich zahlreicher Diebereien schuldig gemacht. Während zweier Jahre hatte er immer wieder Geld, aber auch Textilien aller Art gestohlen. Anfangs 1720 wurde er in Solothurn inhaftiert und von der damaligen Staatsgewalt zu verschiedenen Malen «gütlich, aber teilweise auch peinlich» examiniert, nämlich durch die vier Patrizier alt Rat Peter C. Anton von Besenval von Brunstatt, alt Rat Gibelin, jung Rat Johann Friedrich Wallier von Wendelsdorf und gross Rat Ludwig Joseph Wagner.

Zum Tode verurteilt durch Hängen

Am Mittwoch, 6. März 1720, wurde von diesen Herren ein hartes Urteil gesprochen. Im Staatsarchiv Solothurn wird im sogenannten «Vergicht- und Turnrodel» von 1720 ein mehrseitiges Protokoll mit folgendem Inhalt – auszugsweise – aufbewahrt: «Nach genossenem Henkersmahl ist der Delinquent in den Ring vor der ‹Krone› zu führen, wo das Todesurteil öffentlich verkündet, und der also Verurteilte dem Hauptrichter übergeben werden wird. Dieser hat dem armen Menschen die Hände auf den Rücken zu binden und ihn hinaus zum Hochgericht am Steinenberg zu führen, wo er ihn am Galgen aufzuknüpfen und zu strangulieren und alsdann der Luft, den Vögeln und andern zu einem abschreckenden Exempel zu überlassen hat.» Antoine Louis Mairet musste demnach zu Fuss eine ähnliche Strecke zurücklegen, wie sie heute vom Bipperlisi befahren wird.

Todesurteile bis 1855

Antoine Louis Mairet war nicht der letzte Übeltäter, der im Gebiet Solothurn gehängt wurde. Dies war Antoni Guidam aus Benfeld im Elsass, der 1769 an einem Solothurner Galgen endete. Der letzte im Kanton mit dem Schwert Hingerichtete war der Fulenbacher Urs Joseph Schenker, der für den gewaltsamen Tod seines Vaters verantwortlich gemacht wurde. Gestanden hat Schenker nie. Der 28-Jährige wurde am 17. Februar 1855 beim «Ritter» neben dem heutigen «Solheure» enthauptet. (uby)

Unterwegs behändigte der Henker noch eine in St. Katharinen für solche Zwecke immer bereitstehende Leiter. Schon von weitem war für die kleine, eskortierte Marschgruppe das Hochgericht auf dem Steinenberg zu sehen, welches aus einer nach Norden hin mit schönen Dachziegeln abgedeckten Abschlussmauer und dem Galgen selber bestand. Dieser war von der damals weiter südlich verlaufenden «Landstrass uff Basel» her gut einsehbar und ist heute noch als markanter Einschnitt im Wald leicht auszumachen.
Hier waltete der Henker seines Amtes. Er knüpfte den Dieb am Galgen auf und half mit Strangulieren nach, indem er sich an den am Strick baumelnden Verurteilten dranhängte. Der also bestrafte Mensch hatte alsdann gemäss Urteilsspruch hängen zu bleiben – bis er von selbst herunterfiel.

Vor zehn Jahren zufällig entdeckt

Vom alten Hochgericht am Steinenberg, südlich der heutigen Baselstrasse und des Bipperlisi-Trassees etwa auf gleicher Höhe wie der vierte der auf der andern Strassenseite stehenden Beleuchtungskandelaber, ist anfangs Oktober 2010 zufällig einiges entdeckt worden: nebst Überresten der Abschlussmauer, in einer Tiefe von etwa 80 Zentimeter ein sauber gemauertes, mosaikartiges Fundament, darüber der gewachsene Boden, angereichert mit den von dieser Abschlussmauer heruntergefallenen und zerbrochenen Dachziegeln, sowie vielen Knochen.

Hansueli Jordi

2010 hat der pensionierte Landwirtschaftslehrer und Lokalhistoriker Hansueli Jordi Fundamentreste der Solothurner Richtstätte wiederentdeckt. In diesem Bericht lässt er die Geschichte der Richtstätte wieder aufleben.