Für die Zeit nach seiner Pension suchte Hans Rudolf Geissbühler aus Subingen eine sinnvolle Beschäftigung. Er liess sich zum Elektrobiologen ausbilden.
Elektrosensibilität ist in den letzten Jahren immer mehr ein Thema geworden. Ohrensausen, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Bluthochdruck, Sehstörungen werden oft als gesundheitliche Auswirkungen genannt, wenn man zu viel Strahlung ausgesetzt ist. Dabei wachsen insbesondere die hausinternen Strahlenquellen. Die Rede ist von Elektrosmog. «Beinahe jedes Elektrogerät ist heute mit Sensoren ausgestattet und sondert Strahlung ab», erklärt Elektrobiologe Hans Rudolf Geissbühler aus Subingen.
Der ehemalige Geschäftsführer der Landi Subingen und seine Frau, die in einem unscheinbaren Wohnquartier leben, können von eigenen Erfahrungen wie Schlafstörungen und Kopfschmerzen erzählen, die vor rund fünfzehn Jahren begannen. Arztkonsultationen haben nichts gebracht. Auch die Angebote von Firmen, die von Bettmatten über Steine bis zu Pyramiden unzählige Dinge verkaufen, die Strahlung schützen sollen, brachten keinen Erfolg. «Wir haben viel Geld für nichts ausgegeben. Später haben wir gemerkt, dass es uns an bestimmten Orten besser geht, als an anderen. Beispielsweise auf einem Campingplatz war es uns wohl.»
Vor einigen Jahren lernte Geissbühler den inzwischen verstorbenen Hans Kauer aus Sissach kennengelernt, der in Sachen Elektrobiologie schweizweit eine Koryphäe ist. «Die Materie begann mich zu faszinieren. Ich wurde sein Lehrling.» Nach seiner Pension absolvierte er ein Fernstudium an der Akademie für Komplementäre Gesundheitsverfahren und Hypnose im deutschen Empfingen mit Diplom. «Elektrobiologie setzt sich mit elektrischen Hoch- und Niederfrequenzen oder statischen Feldern auseinander, die auf Menschen wirken», erklärt er den Begriff. Die elektrobiologische Beratung wurde zu seinem Nebenerwerb: «Ich mache es nicht wegen dem Geldverdienen, sondern weil es mir Spass macht. Und weil ich gemerkt habe, dass viele Menschen gesundheitliche Probleme wegen Elektrosmog haben.» Vor allem die Belastung in den Wohnungen seien hoch. «Rund 80 Prozent der Menschen merken kaum etwas davon. Bei etwa zwölf Prozent weiss man nicht genau, ob es möglicherweise einen Zusammenhang hat und etwa acht Prozent spüren die Belastung stark.»
In einem Koffer bewahrt Hans Rudolf Geissbühler seine Arbeitsgeräte auf. 8000 Franken hat er für diese Messinstrumente ausgegeben. «Ich vertraue nicht auf ein Gefühl. Ich messe mit modernsten Messgeräten.» An einem Messgerät befestigt er eine Antenne, die wie ein kleiner Christbaum aussieht, dann schaltet er ein und sofort ist ein Ton zu hören, der lauter oder leiser wird, wenn er mit dem Gerät die Position wechselt. Anhand des Tones beurteile er, ob die Quelle WLAN, 2G, 3G, 4G etc. sei. «Ich will, dass die Kunden dabei sind, wenn ich die Strahlung messe.» Zu den verschiedenen Strahlungen gibt es Vorsorgewerte. Ein anderes Gerät misst die elektrischen Wechselfelder, das heisst die Belastung in einer Wohnung durch Elektrogeräte. «Anschliessend machen wir die Wohnung stromlos, messen nochmals und sehen die Differenz. Danach werden einzelne Geräte eingeschaltet und man kann sehen, was sich verändert.» In seiner Wohnung ist Belastung durch Elektrogeräte gering. Den Ton auf dem Messgerät identifiziert er als Strahlung von der nahen Eisenbahnlinie. «Wobei die SBB sich sehr Mühe geben. Dennoch kann man ein Wechselfeld messen, aber auf einem sehr tiefen Niveau.
Für seinen Lehrmeister gab es nur eine Möglichkeit, diesem Elektrosmog zu begegnen: «Man muss die Strahlung verhindern oder reduzieren. Die Hauptbelastungen sind fast immer die hausgemachten. Diese wachsen stetig an. Funktelefon, Fernsehmodem und, und, und. Beinahe jedes Elektrogerät hat heute Funkverbindungen. Ein Beispiel ist der Roboterstaubsauger, der schauen muss, dass er nicht in den Keller runterfällt. Oder die TV-Box, die andauernd die Fernbedienung sucht. Die strahlt relativ weit. Ich könnte vom Keller aus den TV bedienen.» Geissbühler hat seine TV-Box in einer Holzbox verstaut. Das reduziere die Strahlung um rund 90 Prozent. Hinzu kommen die Strombelastungen durch die Geräte. Auch einfache Stromleitungen erzeugen ein Wechselfeld, das manche Menschen spüren und das mit Netzfreischaltern abgestellt werden kann. «Ich versuche mit einfachen Mitteln in einer Wohnung die Belastung zu reduzieren. Für den Einbau von Netzfreischaltern braucht es aber meist einen Elektriker. So kommt der Strom vom Kasten erst durch die Leitung, wenn er gebraucht wird.»
Werden Belastungen durch Elektrosmog reduziert, fühlen sich die Kranken nicht gleich am nächsten Tag pudelwohl. «Es dauert zwei bis sechs Wochen, bis sich der Körper angepasst hat.» Er erhalte Rückmeldungen wie: Jetzt kann ich wieder leben. «Und trotzdem müssen sie auf nichts verzichten. Hier bei mir haben die Geräte Kippschalter oder ich nutze Stromleisten. Ich schalte sie nur bei Gebrauch an, daran muss man sich gewöhnen. Zudem habe ich abgeschirmte Kabel. Erstens habe ich keine Belastung, zweitens brauche ich keinen Strom. So ist es möglich, dass in der Nacht, während der Schlafenszeit, die Belastung möglichst gering ist.» Das helfe, wieder einen gesunden Schlaf zu haben. Das Handy habe er zuhause im Flugmodus. «Ich schaue ein-, zweimal täglich drauf, das reicht.»
Vor drei Jahren beendete der 68-jährige Geissbühler das Studium. Stetig sei die Anzahl der Anfragen gestiegen. «Inzwischen habe ich Kunden bis Zürich.» Die Kundschaft bestehe meist aus Menschen mit gesundheitlichen Problemen, aber mit unklarer Diagnose. «Natürlich gibt es unzählige andere Faktoren, die zu diesen gesundheitlichen Problemen führen können. Etwa Nikotin, Alkohol, Stress. Das sage ich auch meinen Kunden.» Bis Ende Februar sei er nur in Notfällen unterwegs. Wegen Corona. «Homeoffice hat die ganze Problematik massiv verstärkt.» Heute habe er deswegen die meisten Anfragen. «Hier kann ich oft schon am Telefon helfen. Etwa das Laptop kabelgebunden betreiben, also direkt vom Router ein Kabel zum Laptop führen und das WLAN ausschalten.» Meist sei die Belastung durch das Handy im Vergleich zu Belastung durch die hausinternen Quellen klein. «Aber wenn jemand eine Handyantenne 50 Meter von seiner Wohnung entfernt hat, ist das meist ein tragischer Fall. Da kann man nicht viel machen. In der Wohnung kann man die Strahlungen eindämmen, aber was von aussen kommt, da ist man oft machtlos, da gibt es nur eines: umziehen.»