Kanton Solothurn
Viel Publikum und Prominenz am Veteranenspiel – Was steckt hinter dem Geheimnis seines Erfolges?

Das Veteranenspiel Kanton Solothurn ist eine aussergewöhnliche Formation. Sie spielte einmal mehr zu zwei Galakonzerten im vollbesetzten Mühlemattsaal in Trimbach.

Alois Winiger
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Gaststar Pepe Lienhard verzauberte mit seinem Saxofon an den beiden «Konzerten um 3» des Veteranenspiels in Trimbach mit seinen umwerfenden Swingnummern.

Gaststar Pepe Lienhard verzauberte mit seinem Saxofon an den beiden «Konzerten um 3» des Veteranenspiels in Trimbach mit seinen umwerfenden Swingnummern.

Bruno Kissling

Der Mühlemattsaal in Trimbach bietet 700 Plätze – beim diesjährigen Galakonzert unter dem Titel «Konzert um 3» des Veteranenspiels mit Tambouren Kanton Solothurn vorgestern Abend und gestern Nachmittag war er jeweils voll besetzt. Das Publikum reagierte mit grosser Begeisterung auf das Konzertprogramm mit Oldies, Swingnummern und Balladen sowie auf die Vorträge der Tambourengruppe unter der Leitung von Hans Luterbacher.

Gaststar Pepe Lienhard mit dem Saxofon, Walter Grob mit dem Xylofon und Gabi Grob mit ihrem Gesang setzten Highlights. Ursula Walti (Radio Eviva) führte charmant als Moderatorin durch das Programm. Sie tat es anstelle von Theres-Ursula Beiner, die vor kurzem verstorben ist. Zu ihrem Gedenken erhob sich das Publikum. Mit noch mehr Unvorhergesehenem war das Orchester kurze Zeit vor dem Konzert konfrontiert, denn Dirigent Robert Grob musste sich in Spitalpflege begeben.

Präsident Anton Hagmann legte dem Publikum offen dar, dass er sich derzeit einer Chemotherapie unterziehe. Trotz dieser Umstände gaben die beiden vollen Einsatz und durften sich am Schluss des Konzerts zusammen mit dem Orchester, den Tambouren und den Solisten über tosenden Applaus und Standing Ovations freuen.

Dirigent Robert Grob (l.) und Präsident Anton Hagmann

Dirigent Robert Grob (l.) und Präsident Anton Hagmann

Alois Winiger

Woher kommt der Erfolg?

Der Erfolg des Veteranenspiels ist erstaunlich. Grund genug der Frage nachzugehen, wie es dazu gekommen ist. Ein wesentlicher Faktor ist beim Probebetrieb auszumachen, von dem manche Dirigenten nur träumen können: Zehn Minuten vor Probenbeginn sitzen die Musikantinnen und Musikanten spielbereit vor den Notenpulten. Wenn einer mal zu spät kommt, dann weil er im Strassenverkehr stecken geblieben war.

Aktuell machen 84 Frauen und Männer mit – das älteste Mitglied ist 92-jährig – und sie kommen aus allen Teilen des Kantons und angrenzenden Gebieten nach Kestenholz, wo ihnen die Gemeinde das Probelokal der Musikgesellschaft Eintracht zur Verfügung stellt. Obendrein sorgen die Kestenholzer Veteranen noch dafür, dass das Lokal jeweils für die grosse Besetzung bereitgestellt und anschliessend wieder zurückgebaut wird. Geprobt wird mit Ausnahme der Ferienzeit alle drei Wochen am Donnerstagnachmittag.

Zur Formation gehört ferner eine Gruppe von elf Tambouren unter der Leitung von Hans Luterbacher (66, Zuchwil), die ihre Proben nach eigenem Bedarf organisiert. Jedes Jahr gibt das Veteranenspiel mehrere Konzerte in Altersheimen und auf öffentlichen Plätzen. Highlights waren die Auftritte am Marché Concours in Saignelégier (2012) und an der Olma (2013). Unter der Marke «Konzert um 3» lädt das Spiel zu Galakonzerten mit Gaststars ein, die ebenfalls zu Highlights wurden: 2015 mit dem Trompeter Walter Scholz und 2016 mit der Sängerin Noëmi Nadelmann.

Hartnäckig geblieben

Was hier nach einer locker verlaufenen Erfolgsstory klingt, ist es aber keinesfalls. Ohne die Begeisterung und Hartnäckigkeit des Initianten Anton Hagmann (76, Dulliken) und einiger treuer Mitstreiter – namentlich Vizedirigent Rolf Stebler (Büsserach) – sowie dem Durchhaltewillen der Musikantinnen und Musikanten wäre das Veteranenspiel nie so weit gekommen.

Den Anstoss dazu, eine solche Formation auf die Beine zu stellen, bekam Hagmann an einer Veteranentagung im bernischen Seeland, wo eben ein Veteranenspiel ein Konzert gab. «Das können wir Solothurner auch», habe er sich gesagt und dann an alle Musikvereine des Kantons Solothurn Einladungen versandt. «Selbstverständlich soll der Betrieb der Stammvereine nicht beeinträchtigt werden», erklärt Hagmann. «Deshalb wurden vorab die pensionierten Musikanten angesprochen, die nachmittags Zeit haben.»

35 Anmeldungen gingen ein. Zu wenige für eine spielfähige Formation in gewünschter Harmoniebesetzung. Hagmann musste nachhaken. Am 17. Januar 2008 jedoch, dem Gründungsdatum des Spiels, fanden sich 48 Musikantinnen und Musikanten zur ersten Probe ein – inklusive einer ersten Änderung. Walter Joseph (Buckten), der mit Freude als Dirigent zugesagt hatte, musste wegen eines medizinischen Eingriffs fehlen. Also übernahm der Vizedirigent Rolf Stebler die Leitung der ersten Probe, und es sollte nicht das letzte Mal sein, bei dem er spontan einsprang.

Erfolg macht Appetit auf mehr

Auftritte an der kantonalen Veteranentagung sowie der Delegiertenversammlung und in den Spitälern Olten und Solothurn zeigten Wirkung. Ende 2008 gehörten bereits 61 Männer und 9 Frauen dem Spiel an. In den Folgejahren erhöhte sich die Anzahl der Auftritte unter der Leitung von Walter Joseph.

Der Erfolg machte Appetit auf mehr, auch was die Musikliteratur angeht, wurden doch bis dahin hauptsächlich Märsche, Polkas und dergleichen gespielt. «Das bedeutete jedoch, dass intensiver geprobt werden musste», sagt Anton Hagmann. Dirigent Walter Joseph, der noch etliche Male wegen Krankheit ausgefallen war, habe das aber nicht gewollt und deshalb demissioniert. Im August 2013 verstarb Walter Joseph 77-jährig.

Grob hatte Bedenken

«Fünf Dirigenten hatten wir für die Nachfolge im Auge, mein Wunschkandidat war Robert Grob», berichtet Anton Hagmann. Grob, 1951 in Winznau geboren, hatte 1980 sein Berufsstudium als Blasmusikdirigent und Posaunist abgeschlossen, unterrichtete an Musikschulen (Kanti Olten) und wurde 1977 Instruktor der Militärmusik in Aarau und schliesslich bis 2010 Chef der Ausbildung Militärmusik und Kommandant des Schweizer Armeespiels.

Die Anfrage für die Leitung des Veteranenspiels habe ihn zwar gefreut, aber zuerst auch Bedenken ausgelöst, sagt Grob. «Ich habe doch reichlich Erfahrung im Dirigieren von Profi- und Amateurorchestern, und bei denen weiss man, was für Ansprüche sie haben. Aber Veteranen? Was für Ansprüche haben die?» Und: «Wie motiviert sind sie? Sind sie auch bereit, Neues zu wagen?»

Denn im Hinterkopf hatte Grob bereits eine Idee. Ein Probedirigat wollte Robert Grob nicht machen. Stattdessen einigte er sich mit Hagmann darauf, das Veteranenspiel probeweise für ein halbes Jahr zu leiten und dann zu entscheiden. Es kam anders. «Schon nach den ersten Takten beim Einspielen hatte ich das Gefühl, dass es gut kommen könnte», erzählt Grob.

Genau den Eindruck hatten offenbar auch die Musikantinnen und Musikanten. Nach dieser ersten gemeinsamen Probe stand Anton Hagmann vor das Spiel hin und stellte den Antrag, Robert Grob soll sofort als neuer Dirigent gewählt werden. Was denn auch einstimmig geschah. Und damit waren Grobs anfängliche Bedenken verflogen. Er sagt: «In einem Musikverein ist es halt oft so, dass die Leute nach einem langen Arbeitstag zuerst motiviert werden müssen. Das ist hier nicht der Fall. In diesem Spiel steckt ein grosses Potenzial, das habe ich schnell erkannt.»

Populäres im Repertoire

Davon ausgehend brachte Grob die Idee ein, Konzerte mit populärer Musik im grösseren Stil auf die Beine zu stellen, und zwar zu einer Tageszeit, in der jene Leute, die diese Musik lieben, auch Zeit für den Besuch haben: «Konzert um 3» eben. Mittlerweile ist aufgrund grosser Nachfrage zu einer nachmittäglichen Aufführung um 15 Uhr eine zweite am Vorabend hinzugekommen.

Der Mühlemattsaal in Trimbach mit seinen 700 Plätzen hat sich dank starker Unterstützung der Gemeinde als ideales Konzertlokal etabliert. Eine Platzreservation via Homepage ist unumgänglich geworden, damit der Saal nicht überbelegt wird. Das Besondere an diesen Konzerten: Obwohl damit respektable Kosten für Noten, Gagen der Gastsolisten, Werbung und Saalmiete verbunden sind, wird trotzdem kein Eintrittsgeld verlangt, sondern eine Kollekte erhoben.

Dass für den Start eine gesunde finanzielle Basis da war, dafür sorgte Robert Grob. Durch seine Verbindungen, die er in der Zeit als Chef der Militärmusik sowie als Mitglied der Stiftungsräte Swisscor und Basel Tattoo knüpfen konnte, brachte er das Geld zusammen. Hinzu kommt die Unterstützung von Sponsoren und des Fördervereins «Konzert um 3».

Unbedingt Selbstständigkeit

Sehr gerne würden es sowohl der kantonale, als auch der schweizerische Musikverband sehen, wenn sich das erfolgreiche Veteranenspiel Kanton Solothurn ihnen anschliessen würde. «Doch das kommt nicht infrage», betont Präsident Anton Hagmann. «Wir wollen unbedingt selbstständig bleiben und das tun, was wir wollen und keine verbandsmässigen Verpflichtungen eingehen.» Deshalb hat sich das Veteranenspiel zusammen mit ihren Tambouren als eigenständiger Verein aufgestellt und organisiert ihre Galakonzerte unter der Marke «Konzert um 3», mit eigener Homepage.

Veteranenspiele gibt es viele in der Schweiz, das Solothurnische scheint in seiner Art einzigartig zu sein. Wird es doch in anderen Regionen als Vorzeigemodell, sogar als eine echte soziale Institution bezeichnet. Ein Kompliment, das der Initiant Anton Hagmann und der Dirigent Robert Grob gerne entgegennehmen. Doch, so betonen beide einstimmig, es handle sich ja nicht nur um ein Treffen, bei dem «echly Musig» gemacht wird. «Ein wenig gefordert werden sollen die Leute schon, das tut uns allen gut», sagt Grob.

Klar ist den beiden aber auch, dass nicht alle im Orchester das ganz genau gleich sehen. Und naturgemäss ist es so, dass nicht mehr alle Musikantinnen und Musikanten wirklich jede Stelle im Repertoire technisch sauber spielen können. Macht nichts. Jene Kameraden, die gut drauf sind, übernehmen die Stelle. Wenn es beim Konzert darauf ankommt, so tritt ein stolzes Orchester mit 84 Musikantinnen und Musikanten mitsamt 13 Tambouren auf die Bühne, legt los und das Publikum hat seine helle Freude. Was will man mehr?