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Kanton Solothurn
Der Fall eines Wiederholungstäters, der mehrfach alkoholisiert und ohne Ausweis unterwegs war, geht zurück ans Amtsgericht Solothurn-Lebern: Weil die angedrohte Freiheitsstrafe mehr als 24 Monate beträgt, hätte zwingend nicht nur ein Einzelrichter sondern ein Dreiergremium urteilen müssen.
Rüffel aus Lausanne für die Solothurner Rechtsprechung: Das Bundesgericht erinnert in klaren Worten an die Vorgabe der schweizerischen Strafprozessordnung, wonach Einzelrichter Freiheitsstrafen von maximal zwei Jahren Dauer aussprechen dürfen – was darüber hinaus geht, muss dagegen zwingend von einem Richter-Dreiergremium beurteilt werden. Im Kanton Solothurn ist die Urteilskompetenz eines Einzelrichters gar explizit auf nur 18 Monate beschränkt.
Vor diesem Hintergrund hat das Bundesgericht nun auf Beschwerde hin ein Urteil des ausserordentlichen Amtsgerichtstatthalters von Solothurn-Lebern vom 29. Januar 2020 aufgehoben. Die Bundesrichter überwiesen den Fall zur Durchführung einer neuen Hauptverhandlung, inklusiv eines erneuten Beweisverfahrens an das Amtsgericht Solothurn-Lebern. Dieses muss nun in einem Dreiergremium ein neues Urteil fällen. Darüber hinaus hat der Kanton den Anwalt des erfolgreichen Beschwerdeführers mit 2500 Franken zu entschädigen.
Dabei ist der fragliche Beschwerdeführer beileibe kein Kind von Traurigkeit: Am 31. Oktober 2017 war er vom Bezirksgericht Pfäffikon unter anderem wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung, mehrfachen Fahrens in fahrunfähigem Zustand und mehrfachen Fahrens ohne Berechtigung zu 30 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die unbedingte Strafe wurde aber zu Gunsten einer ambulanten Behandlung des alkoholabhängigen Mannes aufgeschoben.
Diese Therapie fruchtete aber offensichtlich nichts: Jedenfalls stand der Mann im Januar 2020 als Wiederholungstäter vor dem besagten ausserordentlichen Amtsgerichtsstatthalter von Solothurn-Lebern. Dieser sprach ihn unter anderem schuldig des «mehrfachen Führens eines Motorfahrzeugs in qualifiziert fahruntauglichem Zustand», wegen mehrfachen Führens eines Autos ohne Ausweis – und dies auch noch ohne Haftpflichtversicherung. Der Einzelrichter verurteilte den Mann zu 16 Monaten Freiheitsstrafe (unbedingt). Dies als teilweise Zusatzstrafe zum Urteil des Bezirksgerichts Pfäffikon. Die von jenem Gericht angeordnete und offensichtlich nutzlose ambulante Behandlung hob der Solothurner Einzelrichter wegen Erfolglosigkeit auf – womit aber auch die im Oktober 2017 verhängte 30-monatige Freiheitsstrafe vollziehbar wurde.
So aber geriet der Amtsgerichtstatthalter auf (zu) dünnes Eis, wie das Bundesgericht nun unmissverständlich festhält. Zu Recht weise der Beschwerdeführer darauf hin, dass der Einzelrichter «damit einen Freiheitsentzug von insgesamt 46 Monaten verantwortet», was die Grenze von zwei Jahren klar übersteigt:
«Wenn sich der Einzelrichter als zuständig angesehen hat, dann verletzt das daher Bundesrecht. Er hätte den Fall gemäss Strafprozessordnung dem Amtsgericht überweisen müssen.»
«Entscheidend ist, dass der Beschwerdeführer die Freiheitsstrafe von 30 Monaten erst aufgrund des einzelrichterlichen Urteils verbüssen muss», zerpflückt das Bundesgericht damit auch einen Zwischenentscheid des Solothurner Obergerichts. Dieses hatte am 10. Juni 2020 das Urteil des Amtsgerichtstatthalters geschützt, weil dieser die Strafe von 30 Monaten ja «nicht selber ausgesprochen und insoweit auch keinen bedingten Vollzug widerrufen» habe.