Grenchen
«Macht Kiffen geisteskrank?» Angeregte Diskussion zum Thema Cannabis

Die Frage, ob Kiffen zu Psychosen führt, konnte an den Aktionstagen Psychische Gesundheit nicht abschliessend geklärt werden. Dafür löste sie eine angeregte Diskussion über Gras aus.

Noëlle Karpf
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Jeder Dritte hat schon gekifft. Ob das zu Psychosen führt, ist unklar.

Jeder Dritte hat schon gekifft. Ob das zu Psychosen führt, ist unklar.

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Die Frage lockte fast 140 Personen in das Gesundheitszentrum «Sunnepark» in Grenchen: «Macht Kiffen geisteskrank?» Das wurde im Rahmen eines Anlasses der Aktionstage Psychische Gesundheit diskutiert. Diese finden derzeit im ganzen Kanton statt und widmen sich psychischen Beschwerden und deren Entstigmatisierung. In Grenchen ging es um Psychosen – eine Form davon ist etwa die Schizophrenie – bei welchen sich die Wahrnehmung der Betroffenen ändert. Und darum, ob Psychosen mit Cannabiskonsum zusammenhängen. Abschliessend könne man das aber gar nicht sagen, so Referent Beat Nick von den Psychiatrischen Diensten Solothurn.

Auf der einen Seite ist da nämlich das komplexe Krankheitsbild; wenn er etwa die Ursachen für Schizophrenie abschliessend kennen würde, könnte er sich gleich für den Nobelpreis anmelden, so Nick. Auf der anderen Seite ist die Pflanze Cannabis. Laut Nick ist zwar bekannt, dass jeder dritte Schweizer einmal im Leben kifft. Und dass junge Schweizer Europameister im Kiffen sind. Heute enthielte Gras zudem bis zu 15 oder gar bis zu 30 Prozent THC – während es in Zeiten von «Flower Power» noch rund 3 Prozent des psychoaktiven Stoffes gewesen seien.

Beat Nick

Beat Nick

zvg

Wie genau Graskonsum und psychische Störungen zusammenhängen, ist aber nicht genau erforscht. «Einen Zusammenhang gibt es sicher», so Nick. Laut Statistik könne Kiffen das Risiko, an einer Psychose zu erkranken, verdoppeln. Mit Betonung auf «kann»: Es gibt Kiffer, die nie an einer Psychose erkranken – bei anderen kann es schon nach einem Ausprobieren zu einer Psychose kommen. Auch ist laut Nicks Ausführungen nicht immer klar ersichtlich, ob Kiffer eher erkranken oder Personen, die krank sind, eher kiffen.

«Kann nicht nur blöd machen»

Beat Nick leitet das Behandlungszentrum für Psychosen in Solothurn. Charlotte Rapp, die dort ebenfalls arbeitet, referierte nach ihm. Im Behandlungszentrum hätten sie praktisch wöchentlich einen Fall von Psychose. Rapp stellte aufgrund dieser Erfahrungen ein Fallbeispiel vor: Es ging um einen 21-Jährigen, der zuerst Gras ausprobiert und dann täglich kifft. Bis er sich verändert, nicht mehr gut schläft, oft krank macht, sich im Zimmer verbarrikadiert.

Auch nach einem Klinikaufenthalt und dem Entschluss, nicht mehr zu kiffen, kommen die Symptome wieder: Der junge Mann fühlt sich verfolgt, hört Stimmen. Es braucht zwei weitere Klinikaufenthalte und eine ambulante Therapie mit Medikamenten; dann verschwinden die Symptome endgültig. Der Verlauf einer Psychose, so Rapp, sei sehr unterschiedlich. Auch sei in akuten Fällen nicht immer ersichtlich, ob die Psychose nun wegen Cannabis entstanden sei.

Das Gras stand dann auch in der zweiten Hälfte des Anlasses im Zentrum. Während rund 45 Minuten stellten die Anwesenden Fragen. Diese Diskussionsrunde ergab etwa, dass THC auch heilende Wirkungen habe; dass das legale CBD-Gras, das kaum THC enthält, Psychosen sicher nicht auslöse und allenfalls sogar heilen könne; und dass es bezüglich Psychose-Risiko keine Rolle spiele, ob gekifft werde, oder etwa Hanf-Cookies gegessen werden.

Bob Marley und Thomas Edison hätten auch Drogen konsumiert, meinte dann ein Zuhörer, der meinte, Psychosen müssten doch nicht zwingend schlecht sein. «Wenn das die erfolgreichsten Menschen unseres Planeten gemacht haben – dann kann es ja nicht nur blöd machen, oder?»

Die beiden Referenten erklärten, die Patienten, die sie behandelten, würden Psychosen sicher nicht als etwas Positives empfinden. Zudem hätten sie aufgrund ihrer Erfahrung ihren Blickwinkel auf das Thema. Natürlich könne es auch ganz andere Fälle geben. Nachdem erneut der Wunsch geäussert wurde, nicht nur auf den negativen Folgen von Cannabis herumzureiten, meldete sich dann Annette Lanser, Mitorganisatorin der Aktionstage, zu Wort. «Es geht uns hier nicht darum, die Pflanze zu verteufeln», erklärte sie. Anstatt zu urteilen, wolle man offen informieren, damit die Leute Bescheid wüssten über mögliche Folgen des Konsums – und dann für sich selbst entscheiden könnten, ob sie sich diesem Risiko aussetzen wollten.