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Vierbeiner sind nicht immer gut: Das zeigt das Stück «Animal Farm». Die Premiere am Stadttheater Solothurn bereitete viel Spass und überzeugte mit gutem Schauspiel.
«Der Mensch ist unser wirklicher Feind!» Dies erkennen die Tiere auf dem Bauernhof, rebellieren und vertreiben Mr. Jones, der seine Tiere schlecht behandelt, von der Farm. Alles läuft gut; die Tiere halten sich – im Zusammenhang mit dem neu ausgerufenen «Animalismus» – an die von ihnen aufgestellten Gebote wie: «Kein Tier soll ein anderes Tier töten», «Alle Tiere sind gleich». Doch die beiden Schweine Napoleon und Schneeball reissen raffiniert das Management der Farm an sich. Die Demokratie bröckelt. Schleichend werden die Gebote geändert: «Kein Tier soll ein anderes Tier töten ohne Grund», «Alle Tiere sind gleich, aber einige Tiere sind gleicher als andere». Schneeball wird als Agent von Mr. Jones verleugnet; Schwein Napoleon wird mit seiner scharfen Hundetruppe zum wohlgenährten Despoten, der mit den Menschen Handel treibt, bis er nicht mehr von ihnen zu unterscheiden ist. Die verwirrten Tiere versuchen sich an Glaubenssätzen wie «Vierbeiner gut, Zweibeiner schlecht», «Napoleon hat immer recht» und an ihrem Lied «Tiere vereint euch, gemeinsam steht auf» zu orientieren, doch sie werden verraten und verkauft – die Schlachtbank wartet.
George Orwells Roman «Farm der Tiere» («Animal Farm») wurde 1945 veröffentlicht und kann grob als Abrechnung mit dem Stalinismus gelten. Die TOBS-Inszenierung «Animal Farm» von Max Merker verschiebt den politischen Akzent klug in die Gegenwart, ohne die historische Verortung auszublenden. Keine Zuschauerin, kein Zuschauer muss angestrengt zuordnen: Mr. Jones steht für Zar Niklaus II., Napoleon für Josef Stalin, Schneeball für Leo Trotzki. Denn die Einführung ins Stück übernimmt Karl Marx (Günter Baumann) persönlich. «Was ist das für eine Gesellschaft, in der die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer werden», fragt er und spielt in «Animal Farm» selber mit, um die Welt «als Schauspieler zu ändern»: Marx wird zu dem Zuchteber Old Major (Baumann), der die Tiere belehrt und zur Rebellion anstiftet. Und findet sich Marx nach Old Majors Tod nicht in der Rolle des alten Esels Benjamin (Baumann) wieder? Der sich als einziger aus allem raushält, manchmal das Publikum gedankenvoll betrachtet und frustriert festhält: «Das Leben geht weiter, wie es immer weiter gegangen ist. Nämlich schlecht.» Und der Satz gilt auch, wenn die neue klassenlose Gesellschaft nun «Community» heisst oder die Konsumenten die neuen Proletarier sind.
Die «Farm der Tiere» ist durchaus vergnüglich zu lesen. Und die Inszenierung von Max Merker macht – bei allem Ernst – Spass. Die eingebauten Musical-Elemente («Wie eine grüne Wiese liegt uns die Welt zu Huf») sind stimmig. Und die schauspielerische Interpretation und Leistung des Teams sind hervorragend: etwa Alvise Lindenberger als der kraftstrotzende Ackergaul Boxer, der doch für seine Dummheit nichts kann. Tatjana Sebben als resolute Kleeblatt läuft herum und blickt einen an wie eine echte Milchkuh. Matthias Schoch ist als Napoleon ein wirklich fieses Schwein... Umwerfend ist Atina Tabé als betrunkener Mr. Jones, als blökendes, schreckhaftes Schaf, als Lügen für Wahrheit verkaufendes Schwein Quieker.
Weitere Aufführungen: Mi, 31.10., 19:30 Uhr; Fr, 2.11., 19:30 Uhr; Di, 20.11., 19:30 Uhr; Do, 22.11., 19:30 Uhr; Sa, 22.12., 19:00 Uhr; Fr, 28.12., 19:30 Uhr; So, 13.01., 17:00 Uhr.