Robert Gerber
«Ohne Pager lebt es sich eindeutig entspannter»

Der Grenchner Kommandant Robert Gerber leitete am Freitag den letzten Polizeirapport. Den Moment, als er seinen Pager abgab, erlebte er als grosse Erleichterung. Tipps für die Arbeit will er seinem Nachfolger keine geben.

Andreas Toggweiler
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Robert Gerber, abtretender Chef der Grenchner Blaulicht-Organisationen.

Robert Gerber, abtretender Chef der Grenchner Blaulicht-Organisationen.

Hanspeter Bärtschi

Offiziell ist Polizeikommandant Robert Gerber seit dem 1. Januar pensioniert. Auch sein Nachfolger ist schon gewählt. Aber bis im Mai arbeitet Gerber weiterhin im Mandatsverhältnis für die Stadt und organisiert unter anderem die Schweizerische Jahrestagung der Stadtpolizei-Chefs am 12./13. Mai – und den letzten Polizeirapport für die Stadt Grenchen, der am Freitagabend im Zwinglihaus über die Bühne ging. Am Tag seines 63. Geburtstages.

Erst an diesem Tag wollte sich Gerber eigentlich pensionieren lassen, doch wegen finanzieller Überlegungen im Zusammenhang mit der Pensionskasse machte die Stadt Druck, dass Gerber früher geht (wir berichteten). Auch wenn ihm das zu Beginn etwas quer einfuhr, habe er sich mit der Situation versöhnt, wie er im Gespräch sagt.

Der Druck ist weg

«Am Tag, als ich meinem Interims-Nachfolger Hugo Kohler den Pager übergeben konnte, verspürte ich auch eine grosse Erleichterung». Reflexartig jucke er zwar noch auf, wenn er ein Martinshorn höre. «Doch dann denke ich, das geht mich ja nichts mehr an», sagt Gerber und lacht. Kein Druck, weil ein Polizist vielleicht einen Fehler macht, oder die Öffentlichkeit die Polizeiarbeit kritisiert. Denn am Ende muss der Chef dafür geradestehen.

Die Polizeiarbeit werde heute von der Öffentlichkeit viel genauer beobachtet als früher, nicht zuletzt wegen dem Internet. Es sorgt dafür, dass jedes noch so kleine Vorkommnis innert Minuten dutzendfach verbreitet wird. Am Abend haben die Leute die Meldung mehrmals gehört und gesehen. «Vielleicht haben deshalb manche das Gefühl, die Straftaten nähmen gegenüber früheren Zeiten zu. Dabei ist wohl eher das Gegenteil der Fall.»

Abschied in Etappen

Seit 21. Dezember heisst es für Gerber in Etappen Abschied nehmen vom Polizeialltag. Für die Auftragsarbeiten konnte er noch ein kleines Büro im Polizeigebäude beziehen. Auf das er übrigens Stolz ist. Für 2,476 Mio Fr. hat die Stadt die ehemalige Uhrenfabrik Orfina gekauft. Am 8. Dezember 1997, erinnert sich Gerber, ist die Polizei eingezogen. Die Basis an der Simplonstrasse habe sich bewährt, meint er.

Heute würde Gerber allerdings einiges anders organisieren, so er könnte. «Eigentlich müsste man Sozialamt und Polizei örtlich zusammenlegen», meint er. Denn die «Kundschaft» ist oft dieselbe und bisweilen gar ein Sicherheitsrisiko für die Sozialamts-Angestellten. Eine enge Zusammenarbeit mit dem Sozialamt finde allerdings bereits heute statt und habe schon unter Sozialamtschef Josef Arnold begonnen. «Während andernorts Sozialamt und Polizei quasi gegeneinander arbeiten, ziehen wir am selben Strick. Denn wir sind ja auch demselben Steuerzahler Rechenschaft schuldig.»

Bürgernahe Polizei

Dass Grenchen mit 33 Prozent Ausländern nicht mehr Probleme hat mit Kriminalität – die Stadt hat die tiefste Rate der drei Solothurner Städte –, führt Gerber darauf zurück, dass es kaum «Ausländergettos» gebe. «Selbst an der Karl- Mathy-Strasse wohnen noch viele Schweizer und diese haben gelernt, sich falls nötig durchzusetzen.» Und sei es, dass sie halt die Polizei rufen.

Die Nähe und das Vertrauen zwischen Bevölkerung und Stadtpolizei – dieses Argument führt Gerber auch heute noch ins Feld, wenn es um die Existenzberechtigung der nunmehr zweitletzten Stadtpolizei im Kanton geht.

Der Umstand, dass etliche Stadtpolizisten in Grenchen wohnen, habe mehr Vor- als Nachteile: Nebst der Ortskenntnis sind die Polizisten auch höflicher. «Man muss sich gewahr sein, dass man sich am nächsten Tag beim Einkaufen im Migros begegnen könnte», meint Gerber lächelnd. Das diszipliniert beide Seiten. Auch die Kontaktbeamten der Polizei für jedes Schulhaus, ein System das Grenchen schon seit 20 Jahren kenne, sorge dafür, dass sich Lehrkräfte gegenüber renitenten Schülern gestärkt fühlen.

Und schliesslich spiele auch die Attraktivität des Polizei-Arbeitsplatzes eine Rolle. «Grenchner Stadtpolizisten sind keine Polizisten zweiter Klasse.» Die Zusammenarbeit mit der Kapo klappt erwiesenermassen gut.

Autostadt Grenchen

Tipps für die Arbeit will Gerber seinem Nachfolger keine geben. Doch gibt es Dinge, die in Grenchen anders sind als anderswo? Er muss nicht lange überlegen: «Grenchen ist eine Autostadt.»

In der Tat sind nirgends im Kanton so viele Autos pro Kopf eingelöst wie hier. Und dass Grenchen nach wie vor eine sichere Stadt sei, auch nachdem die Eröffnung der Autobahn im Jahr 2002 zu einem spürbaren Anstieg der Kriminalität führte. «Eine ältere Dame machte mir kürzlich ein schönes Kompliment, indem sie sagte, dass sie in Grenchen keine Bedenken habe, mit dem Hund zu jeder Tages- und Nachtzeit rauszugehen.»