«Der Grossätti us em Leberberg», der Grenchner Franz Josef Schild, wäre am Samstag 200 Jahre alt geworden.
Was hat uns ein 1821 geborener und 1889 gestorbener Grenchner heute noch zu sagen? So einiges, wie eine gemeinsame Veranstaltung von Literarischer Gesellschaft und Kultur-Historischem Museum am Samstag just zum 200. Geburtstag von Franz Josef Schild (Dr Grossätti us em Leberberg) eindrücklich aufzeigte.
Schild gilt als bedeutendster Dichter unserer Stadt. Der studierte Arzt hat sich schon früh auch dem Schreiben zugewandt, schaute dem Volk aufs Maul, bewahrte so Sagen, Sprüche, Spott- und Reimgedichte, linguistische Eigenheiten, vor dem Vergessenwerden. Daneben meldete er sich mit eigenen Erzählungen und Gedichten zu Wort, mit Literatur, die das aktuelle Geschehen zu einer Zeit reflektierten, die spannende, für einige wohl aber auch furchteinflössende Veränderungen mit sich brachte. Die Rede ist von den Jahrzehnten im 19. Jahrhundert, als aus dem Bauerndorf in ziemlich rasantem Tempo eine blühende Industriestadt entstand.
Franz Josef Schild war dem Fortschritt nicht abgeneigt, engagierte sich als liberaler Politiker und brachte es bis zum Kantonsrat. Trotzdem vergass er seine bäuerliche Herkunft nicht, sah bei seinen Arztbesuchen, dass nicht alle vom «neuen Wohlstand» profitierten und spürte, dass neue Lehren und technische Innovationen einige bodenständige Menschen in ihrem bibeltreuen, teilweise noch mittelalterlichen Selbstverständnis verwirrten.
Auf der Terrasse des Parktheaters las der Solothurner Regisseur und Schauspieler Hanspeter Bader am Morgen aus dem reichhaltigen Werk von Franz Josef Schild. Er verstand es mit seiner Auswahl bestens, dem Publikum die ganze Breite von Schilds Schaffen näherzubringen. Als hervorragender Vortragender berührte er die Anwesenden: Mal staunte man ob der poetischen Ausdrucksweise, mal erfreute man sich ob der auf die Nachbarsgemeinden gemünzten Spottgedichte. Dann wieder wurde wegen einer unglücklichen Liebe getrauert, um sodann das als gerecht empfundene Schicksal des Bettlacher «Schlossdüfels» zu begrüssen. Schliesslich werden die Zuhörenden gespannt Zeugen, wie im Lesezirkel ein Lehrer (wohl eine Anspielung auf Karl-Mathy) über das heliozentrische System referiert und den Vetter Hansjörg, «eine urchige ländliche Natur», ins Grübeln, gar ins Philosophieren bringt.
Schliesslich vermittelte Marco Kropf, Leiter des Kultur-Historischen Museums, an einer Führung spannende und auch kaum bekannte Einblicke in Leben und Werk des Grossättis. Als Ausgangspunkt dazu diente dessen Text zur Absyte, in welcher er die katholische Vorherrschaft zu dieser Zeit hervorhebt, aber auch auf die Gemeindeversammlung unter der Linde an besagtem Weg hinweist. Kropf kam auch auf das Schulwesen zu sprechen, das nach harzigem Start (die Kinder wurden eigentlich auf dem Feld gebraucht) nach der Mitte des 19. Jahrhunderts Fahrt aufnahm. Betont wurde die liberale Grundhaltung Schilds von Kindsbeinen an, ebenso wie sein Verständnis für die Schwächeren und nicht zuletzt seine Leidenschaft zur Archäologie. Kropfs Fazit: «Franz Josef Schilds Hinterlassenschaft widerspiegelt die Zeit der Region Grenchen vor und während der aufkommenden Industrialisierung.»