Der Sturm im August 2008 hat in Reinach nicht nur ein Privathaus abgedeckt, sondern auch das Dach des Schulhauses zerstört. Das Aargauische Versicherungsamt will auch hier nicht zahlen. Jetzt müssen die Richter ein Urteil fällen.
Hans Lüthi
Die Ähnlichkeit der beiden Fälle ist frappant: Ein starker Sturm fegt am 18. August 2006 das ganze Dach über den Terrassenhäusern am Eichhörnliweg in Reinach weg, Schaden entsteht für 100 000 Franken, das teure Notdach nicht eingerechnet. Am Breiteschulhaus in Reinach zerstört der gleiche Sturm Teile des Daches, die Erneuerung kostet 125 000 Franken.
Die als Monopolistin tätige Aargauische Gebäudeversicherung (AGV) lässt nicht nur die Besitzer am Eichhörnliweg im Regen stehen - der Gemeinde Reinach geht es nicht besser. Begründung für die Verweigerung: Baumängel seien die Ursache, nicht der Sturm. Unabhängig von der Tatsache, dass beide Dächer den Orkan «Lothar» vom 26. Dezember 1999 heil überstanden haben!
Die staatliche Versicherung beruft sich auf die gesetzliche Grundlage und auf die strikte Gleichbehandlung aller Versicherten. Bei Baumängeln dürfe sie nicht zahlen. Punkt. Dabei beruft sich die AGV in beiden Fällen auf Expertisen, welche genau solche Baumängel nachweisen. Allerdings: Die Versicherung hat diese selber in Auftag gegeben - womit das Resultat nicht sonderlich erstaunt.
Gemeine will neutrale Expertise
Statt einer gerichtlich bestimmten Expertise handle es sich im Fall des Breiteschulhauses lediglich um ein privates Gutachten, betont Beat Ries, der von der Gemeinde Reinach beigezogene Rechtsanwalt. Vor der Schätzungskommission nach Baugesetz, einem Spezialverwaltungsgericht, hat Ries bis Ende Monat Zeit, um zum Gutachten Stellung zu nehmen. Klar ist schon: «Wir verlangen von der Schätzungskommission, dass sie ein neutrales Gutachten in Auftrag gibt», erklärt Ries.
Reinachs Gemeindeammann Martin Heiz ist fest überzeugt, im Schulhausdach habe es keine relevanten Baumängel gegeben. «Das Verhalten des Versicherungsamtes ist nicht fair», sagt Heiz, die Gemeinde habe immer alle Prämien bezahlt. Läge tatsächlich ein Baumangel vor, wäre das Dach spätestens bei «Lothar» davongeflogen. Rechtsanwalt Ries rechnet damit, die Schätzungskommission werde die Versicherung zur Zahlung des Sturmschadens verpflichten.
Einbezug der Hauseigentümer
Weil der Fall für alle Aargauer Hauseigentümer von exemplarischer Bedeutung ist, würde Beat Ries andernfalls den Kampf auf dieser Schiene weiterführen. Denn er ist nicht nur Präsident des Hauseigentümerverbandes (HEV) der Bezirke Aarau und Kulm, sondern gehört auch dem Vorstand des HEV Aargau und jenem des HEV Schweiz an. «Allein im Aargau haben wir über 30 000 Mitglieder oder rund 10 Prozent der Stimmberechtigten», erklärt Ries. Notfalls müsste eine Änderung des Gesetzesgrundlage angestrebt werden.
«Privatversicherer würden zahlen»
Die Hausbesitzer in den meisten Kantonen haben keine andere Wahl, als die Prämien der staatlichen Versicherung zu bezahlen. Und sie fahren damit in aller Regel günstiger - falls die Rechnung im Schadenfall beglichen wird. Nur in sieben Kantonen sind Privatversicherungen tätig. «Keine Privatversicherung könnte es sich leisten, die Deckung eines solchen Schadenfalls abzulehnen», schreibt René Stöhr aus Untersiggenthal, früher u.a. als Leiter Schaden Sachversicherung für die ganze Schweiz bei der «Winterthur» tätig.
Die Leitung der Aargauischen Gebäudeversicherung (AGV) ist nicht glücklich über den heutigen Zustand: «Aber wir können das Gesetz nicht umbiegen», sagt Urs Graf, Vorsitzender der Geschäftsleitung. «Bei mangelndem Unterhalt und bei Konstruktionsfehlern kann die AGV deshalb nicht zahlen», betont Graf. (Lü.)
Weiter: «Wir standen oft vor der Situation, dass wir feststellten, eigentlich liege ein Konstruktionsfehler vor. Wenn dieser aber während 20 Jahren keine Schäden herbeiführte, wäre der Einwand zu kundenunfreundlich gewesen».
«Frühestens vor den Sommerferien ist mit einem Entscheid im Streitfall Schulhausdach zu rechnen», das sagt Präsident Eduard Hauller von der Schätzungskommission.