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Schweiz
Heute diskutieren die Sozialpolitiker des Nationalrats über ein Dividendenverbot für Krisenfirmen, die Kurzarbeitsentschädigung beantragt haben. SP-Nationalrätin Mattea Meyer hofft auf eine Mehrheit, doch die Verhältnisse sind nicht mehr so klar, wie noch vor zehn Tagen.
Die Coronakrise verändert das Land rasant. Auch die Meinungen von Politikern können in rasantem Tempo umschlagen. Vor zwei Wochen noch sah es nach einer kleinen politischen Sensation aus. Die Sozialkommissionen von Ständerat und Nationalrat forderten vom Bundesrat in einem Brief, ein Dividendenverbot für Firmen zu prüfen, die Kurzarbeitsentschädigung beantragt haben.
Der Tenor: «Firmen können nicht mit der einen Hand staatliche Leistungen beziehen und mit der anderen Hand Dividenden ausschütten.» So hatte es SVP-Ständerat Alex Kuprecht im «Tages-Anzeiger» formuliert. Politiker verschiedenster Couleure hatten sich daran gestört, dass Unternehmen ihre Aktionäre grosszügig entschädigen und gleichzeitig ihre Angestellten auf Kurzarbeit setzen. So etwa die Titlisbahnen, die TX Group, Georg Fischer, ABB oder die Adecco. Andere Unternehmen allerdings strichen die vorgesehene Dividende aufgrund der Coronakrise. So etwa die Flughafenladenbetreiberin Dufry oder die Kioskbetreiberin Valora. Konzerne wie die Swatch Group kürzten die Dividenden zumindest.
Der Bundesrat beliess es dabei, an die Zurückhaltung der Firmen zu appellieren. Von einem Verbot wollte er nichts wissen. Doch die beiden Briefe der Kommissionen machten die Wirtschaft nervös. Swissholdings, der Verband der Konzerne, intervenierte bei den Sozialpolitikern mit einem Brief, um aufzuzeigen, wie problematisch eine Regelung der Dividendenbeschränkung wäre.
Kurzarbeitsentschädigung sei keine Subvention, sondern eine Versicherungsleistung, für welche Arbeitnehmer und Firmen jahrelang Prämien bezahlt haben. «Es gibt auch keinen Grund, das Ausschütten einer Dividende zu verbieten, weil zum Beispiel eine Fabrik abgebrannt ist und man eine Entschädigung der kantonalen Gebäudeversicherung erhalten hat», argumentierte Swissholdings.
Bei den Sozialpolitikern des Ständerates verfehlte das Schreiben die Wirkung nicht. Ein Dividendenverbot war an der letzten Sitzung kein Thema mehr. Und wie sieht es die Sozialkommission des Nationalrates? Sie wird heute Dienstag über eine Motion von SP-Nationalrätin Mattea Meyer (SP/ZH) beraten. Sie fordert ein Dividenderverbot für Firmen, die Kurzarbeitsentschädigung beziehen. «Die staatliche Unterstützung für Lohnzahlungen darf nicht dazu dienen, private Gewinne abzusichern», sagt Meyer.
Brisant dabei ist: Die Regelung soll auch für Unternehmen gelten, welche die Dividende für das Geschäftsjahr 2019 bereits ausgeschüttet haben. Sie sollen, so Meyer, die Kurzarbeitsentschädigung zurückbezahlen. Das Argument mit der Versicherungsleistung lässt die Sozialdemokratin nicht gelten: «Der Bund hat in dieser Krise den Zugang zur Kurzarbeitsentschädigung massiv ausgeweitet und zahlt mindestens sechs Milliarden Franken aus Steuergeld an die Arbeitslosenkasse. Also kann er auch Bedingungen für eine verantwortungsvolle Verwendung festlegen.»
Zwar sind erst zehn Tage vergangen, seit die Sozialkommission des Nationalrates die Forderung nach einem Dividendenverbot in einem Brief an den Bundesrat unterstützt hatte. Nun geht es aber um eine Motion, also um einen handfesten Auftrag an den Bundesrat. Eine Mehrheit dafür zu finden, dürfte nicht mehr so leicht sein. CVP-Nationalrat Benjamin Roduit etwa winkt ab. Ein Dividendenverbot für das Jahr 2020 unterstützt er zwar, aber nicht für das vergangene Jahr. Denn die Coronakrise habe im März 2020 begonnen und habe nichts mit dem vergangenen Geschäftsjahr zu tun.