Wochenkommentar
Stille Nacht, einsame Nacht: Der Bundesrat schenkt uns zu Weihnachten ein Paket mit schärferen Massnahmen

Angesichts der ausweglosen Situation sind die Massnahmen vernünftig. Denn die Überlastung der Spitäler gilt es zu vermeiden. Vor Unfall und Krankheit ist keine Person gefeit.

Anna Wanner
Anna Wanner
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Es werden womöglich etwas einsamere Weihnachten in diesem Jahr.

Es werden womöglich etwas einsamere Weihnachten in diesem Jahr.

Bild: imago images

Ja, wir alle hätten uns das Ende des Jahres anders gewünscht: eine fröhliche Weihnachtsfeier mit Freunden, ohne Bedenken die Oma umarmen oder einander nahekommen. Wir wollten einfach wieder ganz unbeschwert zusammensein.

Das Virus nimmt keine Rücksicht. Es grassiert so stark wie noch nie seit Beginn der Pandemie. Täglich stecken sich zehntausend Personen neu an. Die Zahl der unentdeckten Erkrankten ist hoch und die Situation in den Spitälern verschlechtert sich täglich. Am Montag wurde der kritische Wert von schweizweit 300 Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen erstmals überschritten, eine gute Versorgung ist nicht mehr für alle Patienten möglich, weil Behandlungen aufgeschoben werden müssen.

Die Lage spitzt sich mit der Virus-Mutation Omikron unweigerlich noch zu, weil diese sich rasend schnell verbreitet. Der eingeschränkte Zugang zur Spitalversorgung kann für alle Menschen zum Problem werden – egal ob geimpft oder ungeimpft. Denn nicht nur das Virus, auch das Schicksal eines Unfalls, eines Hirnschlags oder einer schweren Krankheit kann jeden treffen. Deshalb muss es oberstes Ziel bleiben, Kapazitäten in den Spitälern freizuhalten, um Notfälle auch künftig aufzufangen. Wie lässt sich das bewerkstelligen?

Der erste Reflex: Die Kapazitäten in den Spitälern erhöhen. So liessen sich harte Triagen verhindern. Das Parlament hat die Massnahme soeben ins revidierte Covid-Gesetz geschrieben. Allerdings müssen wir uns keine falschen Hoffnungen machen. In der Praxis hilft das nichts. Das notwendige Personal ist schlicht nicht vorhanden – und lässt sich weder leicht rekrutieren noch schnell ausbilden.

Die zweite Massnahme liegt ebenfalls auf der Hand: Eine Impfpflicht für alle Erwachsenen oder wenigstens für alle Risikopersonen. Der wirksamste Weg, die Überlastung der Intensivstationen künftig zu verhindern, ist der Schutz vor einem schweren Verlauf. Und da ist die Faktenlage glasklar: Nur eine Impfung kann diesen Schutz bieten. Noch immer 20 Prozent der Erwachsenen sind ungeimpft, fast 900000 Personen könnten sich besser schützen. Trotzdem überwiegen die moralisch nachvollziehbaren Bedenken, eine Impfpflicht einzuführen: Der Stich mit der Nadel sowie die Injektion des Wirkstoffs sind massive körperliche Eingriffe. Sie sollten freiwillig sein und bleiben, solange es Alternativen gibt.

Es ist höchste Zeit, dass der Bundesrat nun mit der 2G-Regel die Schrauben anzieht. Dafür gibt es mehrere gute Gründe: Geimpfte und Genesene erkranken weniger heftig, sie belasten die Spitäler nachweislich seltener. Sie sind weniger infektiös. Zudem wird das Ansteckungsrisiko an 2G-Anlässen mit Maskentragen oder Tests minimiert. Zu den Vorteilen gehört schliesslich auch der erwünschte Nebeneffekt, dass Zauderer sich nun doch noch impfen lassen, um ins Restaurant, ins Wellness oder in den Fitnessclub zu gehen.

Der Nachteil von 2G lässt sich zwar nicht schönreden: Die Regel grenzt Ungeimpfte vom gesellschaftlichen Leben aus. Doch er lässt sich gut begründen: Sich impfen lassen – oder eben nicht – bleibt ein freier Entscheid, obwohl wir uns in der grössten Gesundheitskrise seit hundert Jahren befinden. Jede Person muss jedoch die Konsequenzen ihres Entscheids tragen. Da kann man lange über verlorene Freiheiten jammern. 2G soll letztlich einen Shutdown verhindern.

Angesichts der Härte, die weitergehende Massnahmen mit sich bringen, ist nun nachsichtiges Verhalten aller angezeigt. Der Bundesrat setzt zwar mit der Homeoffice-Pflicht sowie einer strengeren Regel für private Treffen neue Massnahmen durch. Und auch die Schulferien, die in vielen Kantonen bereits begonnen haben, helfen, die epidemiologische Lage zu entschärfen.

Für eine Entlastung des Gesundheitspersonals und der Intensivstationen in den Spitäler können wir alle selber weiter beitragen: Maske aufsetzen, Distanz halten und Kontakte reduzieren. Es werden womöglich etwas einsamere Weihnachten. Dafür starten wir hoffentlich alle gesund ins neue Jahr.