Der Bernische Drogistenverband zieht ein Urteil des Verwaltungsgerichts weiter. Und wehrt sich gegen «amtliche Willkür».
In der 115-jährigen Geschichte des Kantonal-bernischen Drogistenverbands (KBD) gab es bis gestern noch nie eine Medienkonferenz. Doch auf dieses erste Mal hätte Präsident Peter Eberhart lieber verzichtet. Nur gibt es aus Sicht des Verbands unhaltbare Zustände, und gegen diese will er weiterkämpfen. «Wir akzeptieren diese gerichtlich sanktionierte Willkür nicht», sagte Eberhart.
Mitte Oktober hatte das Verwaltungsgericht eine Beschwerde der Heilmittelbehörde Swissmedic gegen die Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) gutgeheissen (siehe «Update»). Die GEF stand auf der Seite der Drogisten, und aus deren Sicht fällen Swissmedic und das Bundesamt für Gesundheit (BAG) unlogische Entscheide.
Die bernische Gesundheits- und Fürsorgedirektion (GEF) entschied im Januar dieses Jahres nach einer Intervention des Berner Drogistenverbands, die bundesrechtliche Abgabebeschränkung für Arzneimittel sei verfassungswidrig. Das Kantonsapothekeramt wurde angewiesen, für betreffende Präparate die Vorschriften der nationalen Arzneimittelverordnung nicht zu vollziehen. Gegen diesen Entscheid legte Swissmedic Beschwerde ein, Mitte Oktober wurde sie vom Verwaltungsgericht gutgeheissen. (joh)
Heilmittel in Selbstbedienung
Gestern nun stellten Eberhart und die beiden KBD-Vorstandsmitglieder Martin von Känel und Beat Fehr ein paar Beispiele vor. Das Produkt namens «Andreafol» mit 400 Mikrogramm Folsäure beispielsweise kann nur in Apotheken gekauft werden, da es in der Liste C eingeteilt ist (siehe Tabelle). Die Drogisten bleiben vom Verkauf ausgeschlossen.
Allerdings könne man den gleichen Wirkstoff in der gleichen Dosierung ohne weiteres auch in der Migros kaufen, sagte von Känel. Dort heisst es «Actilife Folsäure», ist etwas bunter verpackt - und es gibt auf der Packung keine Hinweise auf Nebenwirkungen.
Diese gebe es aber, sagt der KBD, und bei «Andreafol» stehe denn auch unter anderem: «Frauen, die schon einmal ein Kind mit offenem Rücken oder ähnlichen Störungen geboren haben oder in deren Verwandtschaft solche Fälle aufgetreten sind, sollten sicherheitshalber mit dem Arzt bzw. der Ärztin darüber sprechen.» Migros-Kunden erfahren das nicht.
Weitere ähnliche Beispiele stellten die Berner Drogisten vor: Produkte mit Zink, die man in der Migros und im Coop, nicht aber bei ihnen kaufen kann; Mittel gegen Mundschleimhautprobleme, die, obwohl gleich indiziert, sowohl in den Listen C und D auftauchen, aber auch im Selbstbedienungsladen als «Nahrungsmittelergänzung» zu haben sind. «Dort haben die nichts zu suchen. Die Konsumenten werden getäuscht», sagte Fehr.
Kategorie Bestimmung en
Liste A: Einmalige Abgabe durch Arzt oder Apotheke gegen Verschreibung
Liste B: Dauerhafte Abgabe durch Arzt oder Apotheke gegen Verschreibung
Liste C: Abgabe nach Fachberatung durch Arzt oder Apotheke
Liste D: Abgabe nach Fachberatung auch durch Drogerie
Liste E: Abgabe ohne Fachberatung auch durch Grossverteiler
NE: Nahrungsergänzung – frei verkäuflich
Falsche Vergleiche
Die Drogisten sehen sich zwischen den Apothekern und den Grossverteilern in der Klemme: Bei 250 Produkten gebe es unlogische Klassierungen, sowohl geben oben als auch gegen unten, sagte KBD-Präsident Eberhart. Den Drogisten entgingen Millionen von Franken. Dabei gehe es ihnen aber nicht nur um jene Medikamente, die sich gut verkauften.
Besonders gestört hat ihn, dass das Verwaltungsgericht in seinem Entscheid zur Swissmedic-Beschwerde den Vergleich von Vitamin-C-Tabletten und Orangensaft herbeigezogen hat. Hier stimmten Form und Gehalt nicht überein, sagte Eberhart. «So wird nicht Gleiches mit Gleichem verglichen», und das widerspreche einem juristischen Grundsatz. Natürlich sei es nicht immer eine einfache Aufgabe, Heilmittel zu klassifizieren, stellte von Känel klar. Die gezeigten Beispiele sind für den KBD aber zu eindeutig. «Wir wollen aber nun klare, Richtlinien», sagte darum der Präsident.
Mit Rückendeckung
Als grösster Kantonalverband führt der KBD den Kampf «auf juristischem Weg», stellvertretend für alle andern. «Der Schweizer Drogistenverband weiss über jeden unserer Schritte Bescheid», sagte Eberhart. Der nationale Verband sei nun auf politischer Ebene aktiv.