Windräder im Wald sollen erleichtert bewilligt werden, sagt das Parlament – aber ist die Änderung nur «Placebo»? Dank Lobbying gelingt es den Umweltverbänden, eine «Verschlimmbesserung» der Kommission zu kippen.
Es ist ein Kalauer, den er sich wohl schon dutzendfach anhören musste: Ausgerechnet ein Mann mit dem Namen Rodewald ist wohl derjenige im Land, der sich am meisten gegen das Roden des Waldes einsetzt.
Dass er dies nicht nur mit Herzblut, sondern auch erfolgreich tut, das bewies Raimund Rodewald, Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz, gestern Morgen im Nationalrat – obwohl er im Parlament nicht mal anwesend war.
Um was geht es? Auf dem Programm der grossen Kammer stand die Revision des Waldgesetzes. Dabei gab der Artikel 5 zu reden. Dieser definiert, dass abgesehen von wenigen Ausnahmen Waldrodungen verboten sind.
In der Frühlingssession hatte der Ständerat aber eine Ergänzung hinzugefügt, die das «nationale Interesse» an der Realisierung eines Bauvorhabens zur Erzeugung von erneuerbarer Energie als «gleichrangig mit anderen nationalen Interessen» betrachtet. Oder zusammengefasst: Es soll einfacher werden, in einem Waldstück eine Windturbine zu errichten.
Einer Mehrheit der vorberatenden Kommission war dies aber nicht genug. Die Vertreter von SP, Grünen, GLP und CVP verlangten einen Zusatz, der das Baubewilligungsverfahren nicht nur für Anlagen für erneuerbare Energie, sondern allgemein für «Werke» vereinfacht. Zudem erweiterte sie die Kompetenzen von Kantonen und Gemeinden bei der Richtplanung.
Gestern Morgen kam es nun zum Coup: Obwohl ihre Vertreter in der Kommission das Anliegen noch unterstützten, stimmten die Vertreter von SP, Grünen und GLP im Plenum gegen den eigenen Vorschlag. Die im Frühling vom Ständerat beschlossene Version – also, dass die Interessen gleichrangig sind – fand schliesslich eine Mehrheit. Landschaftsschützer Rodewald hatte den ungeliebten Kommissionsartikel aus dem Gesetz gebracht, sein Plan ging auf.
Er war es nämlich, der in den vergangenen Tagen unaufhörlich dafür lobbyierte, dass der Nationalrat den Vorschlag der Kommission ablehnt. Dabei ist Rodewald beinahe zufällig auf den «höchst problematischen» Artikel überhaupt aufmerksam geworden. Bei der Vorbereitung für ein Podiumsgespräch las er Anfang letzte Woche die Anpassungen der Kommission genau durch. Als er den abgeänderten Artikel 5 sah, seien ihm «fast die Augen aus dem Kopf gefallen». Er habe die Sachlage juristisch abklären lassen und sich mit anderen Umweltverbänden abgesprochen. Seine Einschätzung war klar: Nicht nur sei das Wort «Werk» zu schwammig, auch die Möglichkeiten für eine Beschwerde gegen Rodungsentscheide würden massiv eingeschränkt. Kurz: «Der Schutz des Waldes wäre klar geschwächt worden», so Rodewald.
Die Gespräche, die der Landschaftsschützer in der Folge mit zahlreichen Parlamentariern führte, waren offensichtlich von Erfolg gekrönt. SP-Nationalrat Beat Jans sagt, dass der umstrittene Artikel in der Kommission «nicht intensiv» diskutiert worden sei. «Wir gingen davon aus, dass er eine Präzisierung der Ständeratsversion ist.» Dies lässt auch das damals verfasste Communiqué vermuten – es erwähnt «Anlagen im Zusammenhang mit der Energieerzeugung» und nicht einfach das allgemeinere Wort «Werke».
Die Befürworter eines möglichst grossen Anlagenausbaus für erneuerbare Energie feiern den Entscheid des Nationalrats nun als Etappensieg. Ob der von beiden Kammern beschlossene Rodungsartikel überhaupt von juristischer Relevanz ist oder nur psychologische Wirkung entfaltet, ist allerdings fraglich. Umweltministerin Doris Leuthard wies in ihrem Votum darauf hin, dass das Parlament im derzeit hängigen Energiegesetz eine praktisch gleich lautende Bestimmung eingefügt habe. «Das führt eigentlich dazu, dass wir diesen Absatz nicht brauchen», so die CVP-Bundesrätin. Ihr Antrag, den entsprechenden Passus ganz zu streichen, scheiterte im Nationalrat aber deutlich.
Leuthard erläuterte zudem, dass man bereits auf der heutigen Gesetzesgrundlage die Möglichkeit habe, Ausnahmebewilligungen für Rodungen zum Bau von Energieanlagen zu erteilen. Dem stimmt auch Rodewald zu. Doch mit der nun beschlossenen Variante kann er leben. «Es ist zwar jetzt ein Placeboartikel, aber ganz klar das kleinere Übel als der Kommissionsvorschlag.» Das ursprünglich von Umweltschutzkreisen angedrohte Referendum ist damit vom Tisch.