Pflegefinanzierung
Wie man mit der Spitex Geld sparen kann

Die frühere Gesundheitsdirektorin und heutige Präsidentin von Spitex Schweiz, Stéphanie Mörikofer, steht bei der Pflegefinanzierung voll hinter dem Grundsatz «ambulant vor stationär».

Drucken
«Spitex kann grössere Rolle übernehmen»

«Spitex kann grössere Rolle übernehmen»

Mathias Küng

Die Aargauer Regierung setzt bei der Neuordnung der Pflegefinanzierung stark auf die kostengünstige Spitex (vgl. Update). Diese soll eine noch wichtigere Rolle als heute übernehmen und dazu beitragen, dass die Menschen später in ein teures Pflegeheim übersiedeln müssen. Kann sie das? Stéphanie Mörikofer, Präsidentin von Spitex Schweiz und frühere Aargauer Gesundheitsdirektorin, ist überzeugt, dass dies geht. Wichtig ist aber, betont sie, dass das soziale Umfeld der Patienten stimmt. Sonst stösst auch die Spitex rasch an ihre Grenzen. Spitex Schweiz arbeitet derzeit zudem an einer Studie, mit der man herausfinden will, ab welchem Pflegeaufwand die Waagschale auf die Seite des Pflegeheims kippt. Ein Thema des nächsten schweizerischen Fachkongresses lautet angesichts überall steigender Erwartungen nicht von ungefähr «Die Grenzen der Spitex».

Update

Gesundheitsdirektorin Susanne Hochuli hat am 6. April die Vorschläge der Regierung für die Neuordnung der Pflegefinanzierung in die Vernehmlassung gegeben. Zentral ist die Bestimmung, wonach Patienten in stationärer Pflege nur noch bis 20 Prozent der Pflegekosten verrechnet werden dürfen. Die Aargauer Regierung schlägt zudem vor, bei der Spitex auf eine gesetzlich mögliche Patientenbeteiligung an den Pflegekosten zu verzichten. (MKU)

«Was drin steht, ist gut»

Die vom Kanton vorgeschlagene neue Pflegefinanzierung trägt Mörikofer mit: «Was in der Vorlage steht, ist gut: Vorab der Grundsatz ‹ambulant vor stationär› und dass konsequenterweise auf die Einführung einer Patientenbeteiligung bei den Spitex-Pflegekosten verzichtet werden soll.» Das Tessin hat Letzteres beschlossen. Mehrere Kantone planen, sich gleich zu verhalten – unter ihnen der Aargau.

Aber sind maximal Fr. 15.95, die ein Patient so pro Tag nicht zahlen muss, tatsächlich ein ausreichender Anreiz, um das Pflegeheim hinauszuschieben? Mörikofer: «Ja. Für jemanden mit AHV und einer nur kleinen Pension sind Fr. 15.95 pro Spitextag sehr viel Geld und strapazieren das Budget stark.» Wenn kein Vermögen vorhanden ist, «kann er oder sie genauso gut ins Pflegeheim gehen. Dort zahlt nämlich die Allgemeinheit sämtliche ungedeckten Restkosten direkt und über die Ergänzungsleistungen», so Mörikofer trocken.

Also alles im grünen Bereich? Nein, das nicht. Sorgen bereiten Mörikofer «die Dinge, die nicht in der Vorlage stehen». So sei nirgendwo geregelt, über welchen Weg Spezial-Spitex-Leistungen abgegolten werden, wie zum Beispiel Palliative Care, Onko-Spitex, Kinder-Spitex oder psychiatrische Spitex.

Finanzierung via Clearingstelle

Diese Leistungen werden häufig von Spezialdienstleistern erbracht, über welche die zumeist recht kleinen Spitex-Organisationen im Aargau nicht selbst verfügen. Sie schlägt vor, die Finanzierung dieser Dienstleistungen über die vom Kanton ins Gespräch gebrachte Clearingstelle abzuwickeln.

Reorganisation unumgänglich

Mit einer Spitex-Organisation auf 8500 Aargauerinnen und Aargauer sind die Einzugsgebiete im interkantonalen Vergleich «sehr tief», kritisiert Mörikofer. Das Problem werde sich noch verschärfen. «Für durchgehend gute Dienstleistungen brauchen wir regionale Zusammenschlüsse», ist die Spitex-Präsidentin überzeugt. Dem Kanton schlägt sie vor, diese mit Anreizen zu fördern; etwa indem er die Fusionskosten übernimmt.

Mörikofer würde vom Kanton gern eine Zahl hören, wie viel dieser bei den Ergänzungsleistungen spart, wenn – wie vorgeschlagen – die 46 Millionen Franken Pflegerestkosten im Heim von den Gemeinden übernommen werden müssen.

Und noch etwas treibt sie um. Sie ist überzeugt, dass die Dauer der Akut- und Übergangspflege mit durchschnittlich zwei Wochen viel zu tief angesetzt wurde. Aufgrund der Erfahrungen im Tessin rechnet sie mit bis 4 Wochen und hofft auf eine Korrektur durch das Parlament.

Hoffnung auf Sand gebaut?

Doch ist die ganze Hoffnung auf die Spitex nicht auf Sand gebaut, weil ja überall Pflegefachkräfte fehlen? Bisher habe sie erst Kenntnis von vereinzelten Engpässen, sagt Mörikofer. Natürlich müsse die Spitex selbst Leute ausbilden. Doch die Arbeit sei attraktiv: «Pflegefachfrauen können nahe von zu Hause aus arbeiten und sie haben eine grosse Selbstständigkeit.» Nötig seien aber entsprechend gute Arbeitsbedingungen, betont sie. «Bei grösseren Spitex-Organisationen», wirbt Mörikofer noch einmal indirekt für Zusammenschlüsse, «ist die Belastung ausgeglichener.»