Nicht alle Betreiber von Campingplätzen verfügen über Schutzkonzepte bezüglich Naturgefahren. Der Verband Swisscamps versucht das mit sanftem Druck zu ändern. Präsident Marcel Zysset sagt aber auch: «Auf Campingplätzen erleben wir kaum je lebensgefährliche Situationen.»
2020 war ein Rekordjahr. Swisscamps, der Dachverband der Schweizer Campingplätze, zählte im Coronajahr rund 4,7 Millionen Übernachtungen. Auch in diesem Frühling zog es die Menschen in Scharen zum Campen an lauschige Plätze am See oder am Fluss. «Wir dachten lange, dass wir in diesem Jahr ein höheres Gästeaufkommen verzeichnen werden», sagt Marcel Zysset. Durch das anhaltende Regenwetter ist der Swisscamp-Präsident nicht mehr sicher, ob die letztjährige Bestmarke geknackt wird.
Zysset führt in Brienz das Familiencamping Aaregg. Wegen der Coronapandemie stammten 90 bis 95 Prozent der Gäste aus der Schweiz – und diese würden, anders als Ausländer, den Campingplatz schneller verlassen, wenn sich die Sonne nachhaltig verstecke. Derzeit verbringen rund 600 bis 800 Personen in Zelten, Campingwagen und Bungalows Ferien am Brienzersee, zu rund drei Viertel ist der Platz voll.
«Die Kinder haben Spass, sie brausen mit ihren Kickboards durch die Pfützen», sagt Zysset. Doch der steigende Pegel bereite manchen Gästen Sorgen. Und er als Betreiber schliesst nicht aus, dass er vielleicht den Platz bald evakuieren muss. Immerhin: Am See steigt der Pegel langsam, die Gäste geraten nicht von einem Moment auf den anderen akut in Gefahr. Zysset verfügt schon seit Jahren über ein Schutzkonzept, das er in Zusammenarbeit mit den Brienzer Behörden erstellt hat.
Der Sicherheitsaspekt gewinnt angesichts der Niederschläge an Relevanz. «Wir haben im Verband über das Thema und Schutzmassnahmen diskutiert», sagt Zysset. Der Verband selber erlässt keine direkten Vorgaben. Vielmehr erarbeiten die einzelnen Mitglieder mit den Gemeindebehörden, der Polizei und der Feuerwehr Konzepte zur Abwehr von Naturgefahren. Allerdings verfügen nicht alle Mitglieder über Schutzkonzepte. Der Verband versuche, diese mit sanftem Druck zu ändern, sagt Zysset.
Jedes Jahr bewertet der Verband in einer anderen Landesregion die Campingplätze. Ein Kriterium unter anderen: Liegt ein Sicherheitskonzept bezüglich Naturgefahren vor? Wer schlecht abschneidet, muss mit einem Punkteabzug und einer schlechteren Bewertung – sie ist für jedermann im Internet einsehbar – rechnen. Zu Todesfällen wegen Überschwemmungen sei es auf Schweizer Campingplätzen noch nie gekommen, sagt Zysset.
«Wir erleben kaum je lebensgefährliche Situationen.»
In Frankreich und Spanien verloren auf Campingplätzen schon Dutzende Personen ihr Leben wegen Überschwemmungen, wie der «Beobachter» berichtet. Im Val d’Anniviers im Kanton Wallis hatten Camper im Juli 2018 grosses Glück, dass eine Schlammlawine knapp nicht den Campingplatz unter sich begrub. «Wir können froh sein, dass es keine Opfer gab», sagte Raphaël Mayoraz, Chef der Sektion Naturgefahren des Kantons Wallis. Der Campingplatz liegt am Rand einer Gefahrenzone der höchsten Stufe.
Die Farbe Rot markiert die höchste Stufe der Gefahrenkarten, die für die ganze Schweiz bestehen. Dort sind Personen sowohl innerhalb als auch ausserhalb von Gebäuden potenziell von Naturgefahren gefährdet. Die «Sonntagszeitung» berichtete vor zwei Jahren, dass über 100 von 444 durch das Bundesamt für Landestopografie erfassten Campingplätzen in einer Zone mit dem höchsten Hochwasserrisiko liegen würden. Für Swisscamps-Präsident Zysset liegt es auch in der Natur der Sache. «Die attraktiven Campingplätze liegen oftmals an Seen und Flüssen.»
Das Bundesamt für Umwelt hielt derweil gegenüber dem «Beobachter» fest: «Campingplätze sollten grundsätzlich nicht in Gefahrengebieten liegen.» Falls doch, erfordere dies strenge Sicherheitsvorkehrungen. Und in der «Sonntagszeitung» sagte Damian Stoffel, beim Kanton Bern zuständig für den Hochwasserschutz in der Region Oberland: «Im Kanton Bern können Sie davon ausgehen, dass es heute nicht mehr möglich ist, im höchsten Gefahrenbereich einen neuen Campingplatz zu eröffnen.»