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Schweiz
Die Finanzbranche schüttet wieder Boni in Milliardenhöhe aus. Laut Soziologe Ueli Mäder droht unsere Gesellschaft an diesem Problem zu zerbrechen.
Vasilije Mustur
70 Millionen. So hoch ist der Bonus von Credit-Suisse-CEO Brady Dougan. Für Ueli Mäder - Professor für Soziologie an der Uni Basel - werden die exorbitanten Boni, wie jene von Brady Dougan, zur Belastung für unsere Gesellschaft. «In der Vergangenheit gaben sich Arbeitslose selbst die Schuld für ihre Situation. Heute verwandelt sich die Resignation in Wut und richtet sich vermehrt gegen die Superprivilegierten dieses Landes».Das sei aber noch nicht alles: Ein Normalbürger müsse in Zeiten von Rezession und hoher Arbeitslosenquote froh darüber sein, bei einem Jobwechsel keine Einkommensbusse in Kauf nehmen zu müssen. Diese beiden Faktoren ergeben laut Mäder eine explosive Mischung und gefährden den sozialen Frieden in der Schweiz. «Wenn Mittelschichten an Wohlstand und Einfluss verlieren dann gefährdet dies den gesellschaftlichen Zusammenhalt.»
Uns drohen Demonstrationen
Soziologe Mäder schliesst nicht aus, dass sich der Zorn der sozial Benachteiligten bald auf der Strasse entlädt. «Ich gehe davon aus, dass wir künftig vermehrt Demonstrationen gegen die soziale Ungerechtigkeit erleben werden. Einzelne Reiche und Mächtige rechnen ebenfalls mit diesem Szenario. Ausserdem nehme ich an, dass die Lohnverhandlungen etwas rauer werden und es vermehrt zu Streiks kommt.» An diesen Folgen würde dann auch die Regierung eine Mitschuld tragen. «Politik und Wirtschaft propagieren seit Jahren das Leistungsprinzip. Doch wenn eine Minderheit Jahr für Jahr Millionen kassiert, die Mehrheit der Bevölkerung hingegen nur knapp jeden Monat ihre Rechnungen bezahlen können, hat das wenig mit Leistungsprinzip zu tun. Das sind eher oligarchische Tendenzen.»
Um das Schlimmste zu verhindern, ruft Mäder zu einem radikalen Wandel unserer Gesellschaft auf: «Unsere Gesellschaft definiert sich einseitig durch Status und materielle Werte. Damit drehen wir die Spirale selbst nach unten». Deshalb müssten wir alle wieder lernen, was wirklich wichtig im Leben sei. «Dazu gehört psychisches Wohl, aber nicht Überkonsum». Darüber hinaus müsse unsere Gesellschaft wieder das soziale Gleichgewicht herstellen und das gehe nur, wenn sich die «Superprivilegierten» an diesem Ausgleich beteiligten. Die Gesellschaft müsse ihre Konflikte offen austragen und eine lebendige und konstruktive Streitkultur entwickeln. «Dazu benötigen wir keine selbst ernannten Vorbilder, sondern mehr eigenes Selbstbewusstsein und gegenseitigen Respekt».