Mehrere Regierungsräte haben eine Corona-Erkrankung. Regieren im Homeoffice ist möglich, aber anspruchsvoll.
Wer hat die Macht im Staat? Zu Zeiten von Corona ist diese Frage ziemlich ketzerisch. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg wird die Schweiz im Notrecht regiert. In der Krisenbewältigung verfügen sonst eher unauffällige Funktionsträger plötzlich über tief greifende Kompetenzen – Kantonsärzte zum Beispiel.
Nachdem der Walliser Staatsrat Frédéric Favre als erstes Regierungsmitglied des Landes positiv auf Corona getestet worden war, gingen auch die restlichen Staatsratsmitglieder vorübergehend in häusliche Quarantäne, und zwar auf Betreiben des Kantonsarztes. «Gemessen an der Entscheidungsgewalt ist er derzeit wohl die mächtigste Person im Kanton Wallis», mutmasste der «Walliser Bote». «Wer sonst kann den ganzen Staatsrat nach Hause schicken?»
Im Aargau steckten sich Landammann Markus Dieth und Volkswirtschaftsdirektor Urs Hofmann mit Corona an, ebenso der Regierungssprecher. Sie begaben sich alle in Isolation. Es gehe ihnen den Umständen entsprechend gut. Ähnlich klingt es in Genf, wo Regierungsrätin Nathalie Fontanet positiv auf Corona getestet worden war.
Erste Erfahrungen zeigen: Die Amtsführung ist angesichts der Umstände erschwert. Ihre regulären Sitzungen führen die betroffenen Regierungen per Telefonkonferenz durch, die übrigen Sitzungen wurden auf ein Minimum beschränkt. Im Aargau lautet eine der Vorsichtsmassnahmen sogar, dass sich in der Verwaltung die Vorgesetzten nicht im gleichen Raum aufhalten sollten wie ihre Stellvertreter.
Die Pandemie stellt die Regierungen vor ein Dilemma: Angesichts der massiven Einschränkungen im Alltag ist es wichtig, hinzustehen, die politischen Entscheide zu erklären. In Genf wurde die Regierung nach der Erkrankung der Finanzministerin scharf kritisiert, weil sie weiterhin zusammengekommen war und dicht auf dicht Medienkonferenzen abgehalten hatte. Solche Risiken seien in Kauf zu nehmen, rechtfertigte sich Regierungspräsident Antonio Hodgers in der «Tribune de Genève». «Man kann in einer Krise nicht regieren und gleichzeitig sicher sein. Bei einem Sturm muss der Kapitän mit dem Rest der Besatzung an Deck sein.»
In den vergangenen Wochen entfalteten besonders die führungsstarken Auftritte des Bundesrats eine grosse Wirkung. Sollte sich eines der sieben Mitglieder der Landesregierung mit Corona anstecken, sei man vorbereitet, wie Bundesratssprecher André Simonazzi auf Anfrage erklärt. «Der Bundesrat hätte eine elektronische Konferenzinfrastruktur zur Verfügung.» Näher äussert er sich nicht dazu.
Informationen der Redaktion von CH Media zeigen: Die Bundeskanzlei verfügt über einen 24-Stunden-Pikettdienst, um jederzeit eine Telefonkonferenz einzuberufen. Die Bundesräte sind verpflichtet, immer erreichbar zu sein. Normalerweise werden geheime Diskussionen in Gesprächen vor Ort geführt. Sitzungen in Form von Telefonkonferenzen seien selten, hielt der Bundesrat vor noch nicht allzu langer Zeit fest. Das hat sich schlagartig geändert. In diesen Tagen arbeiten auch die Magistraten vermehrt von zu Hause aus, selbst untereinander haben sie ihre Kontakte reduziert. Zu den Regierungssitzungen treffen sie sich jedoch weiterhin vor Ort.
Geheimnisträger müssen strenge Regeln zum Schutz von Informationen befolgen. Vertrauliches darf nur verschlüsselt übermittelt werden. Bei Informationssitzungen oder beim Austausch mit Spitzenbeamten sind Bundesräte angehalten, auf ihrem Smartphone die Verschlüsselungs-App «Threema» zu nutzen. Ist das Mobilfunknetz überlastet – was während der Coronakrise schon vorgekommen ist –, sollten die Bundesräte mit ihrem Smartphone trotzdem ohne Zwischenfälle telefonieren können. Sie geniessen im Mobilfunknetz eine sogenannte «Public Safety»-Priorisierung, ähnlich wie die Rettungsdienste.
Aber was, wenn der Bundesrat kurzfristig einen Entscheid fällen müsste? Wenn ein Mitglied in Quarantäne muss und nicht an den Regierungssitzungen im abhörsicheren Bundesratszimmer teilnehmen kann? Die Verhandlungen dürfen laut Gesetz auch telefonisch oder schriftlich geführt werden. Für solche Fälle können die Bundesräte unter anderem ein Handy mit Kryptotechnologie nutzen. Dabei wird ein abhörsicherer Tunnel aufgebaut, in dem Gespräche verschlüsselt werden. Die Geräte sind allerdings eher schwierig zu bedienen und funktionieren nur untereinander.
Klar geregelt ist auch der Fall, wenn ein Bundesrat ausfallen sollte. Jeder hat einen Stellvertreter im Gremium. Dass der Bundesrat komplett lahmgelegt wird, ist indes kaum zu erwarten: Damit der Bundesrat beschlussfähig ist, reicht es, wenn vier Mitglieder abstimmen.
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