Angesichts tiefer Fallzahlen wagt der Bundesrat einen weiteren, vierten Lockerungsschritt: Veranstaltungen mit bis zu 1000 Personen sind wieder erlaubt, an Demonstrationen sogar mehr. Dort wird indes die Maske zur Pflicht.
Vieles soll wieder sein wie davor – zumindest fast. Der Bundesrat spricht von einer «weitgehenden» Normalisierung. «Wir haben viele unserer alten Freiheiten wieder», sagte Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga gestern. Sie betonte, die Schweiz stehe heute an einem anderen Punkt als zu Beginn der Krise.
Die Zahl der gemeldeten Fälle ist stark gesunken, das Wissen über das Virus gewachsen. Drei Monate, nachdem der Bundesrat in den Krisenmodus geschaltet und die ausserordentliche Lage ausgerufen hat, beendete der Bundesrat diese gestern wieder.
Die Situation sei gut, sagte Gesundheitsminister Alain Berset. Der Bundesrat beschloss deshalb einen weiteren Lockerungsschritt. «Wir können fast alle Massnahmen aufheben», so Berset. Konkret gilt ab Montag:
Trotz dieser Lockerungen: Ganz kehrt der Alltag nicht zurück, ganz ist die Gefahr nicht gebannt. «Mit zwanzig, dreissig Fällen pro Tag hat man den Eindruck, das Virus sei nicht mehr da», sagte Berset, «doch das stimmt nicht.» Normalität wie vor der Krise werde erst wieder einkehren, wenn es eine Impfung oder eine sehr gute Behandlung gebe. Abstand halten und Händehygiene blieben daher sehr wichtig, betonte der Bundesrat. Der Bund rät daher zum Beispiel auch weiterhin davon ab, Freunde zu umarmen.
Restaurants, Läden und alle öffentlich zugänglichen Orten müssen zudem über ein Schutzkonzept verfügen. Der Bundesrat hat die Regeln dafür vereinheitlicht. Grundsätzlich gilt: Wenn möglich soll 1,5 Meter Distanz gehalten werden. Ist der Abstand kleiner, braucht es Massnahmen wie Masken oder Trennwände. Ist es nicht möglich, die Distanz einzuhalten, müssen die Kontaktdaten aufgenommen werden, damit im Falle einer Infektion alle Personen gefunden werden können. Events mit mehr als 1000 Personen bleiben bis Ende August verboten.
Ziel der Massnahmen ist es, eine zweite Welle zu verhindern. Der Bundesrat erklärte, man müsse vorsichtig und wachsam bleiben – insbesondere auf den Herbst hin. Gleichzeitig zeigte sich Bundespräsidentin Sommaruga aber optimistisch, dass man auf steigende Fallzahlen besser reagieren könnte als noch Mitte März:
Wir sind besser vorbereitet als zu Beginn der Krise.
Sommaruga sagte, alle wüssten nun, wie man sich schützen könne; und die Spitäler hätten bewiesen, dass sie innert kurzer Zeit Betten und Personal organisieren können.
Sollten die Fallzahlen wieder steigen, stünden die Kantone in der Hauptverantwortung. Sie könnten Massnahmen treffen, um lokale Ausbrüche einzudämmen – beispielsweise, indem sie Veranstaltungen ab einer gewissen Grösse verbieten, Läden schliessen oder gar Regionen abriegeln.
Der Bundesrat kann aber weiterhin gewisse Massnahmen anordnen, für die normalerweise die Kantone zuständig sind. Die ausserordentliche Lage, welche dem Bundesrat viel Macht gab, endete zwar gestern; nun gilt die «besondere» Lage. Der Bundesrat kann damit laut Epidemiengesetz weiterhin einschneidende Massnahmen anordnen wie etwa ein Impfobligatorium für bestimmte Gruppen – mit dem Unterschied, dass er zuvor die Kantone anhören muss.
Dass der Bundesrat nicht zur normalen Lage zurückkehrt, ist laut Berset einem Automatismus geschuldet: Weil die Weltgesundheitsorganisation Covid-19 zur Pandemie erklärt hat, gilt laut Epidemiengesetz die besondere Lage. Ganz zurück zur Normalität geht es also auch hier nicht.