Lebensmittel
Warum Insekten bei uns nicht als Nahrung verkauft werden dürfen

Mehlwürmer im Zitronenkuchen: Wenn zwei Milliarden Menschen weltweit Insekten essen, wieso ist deren Verzehr dann ausgerechnet in der Schweiz verboten?

Anna Wanner
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Diese Frage stellte die Waadtländer GLP-Nationalrätin Isabelle Chevalley dem Bundesrat. Ihr geht es dabei weniger um den besonderen Genuss von Grillen und Ameisen. Sie sieht im Verzehr von Insekten vielmehr eine ökologische Lösung für die steigende Nachfrage nach Proteinen. Denn die Viehzucht ist ungleich aufwendiger.

Doch der Bundesrat blockte die Frage ab. Im Februar antwortete er: «Der Konsum von Insekten ist nicht verboten.» Wer wolle, der könne sie in der Natur sammeln und verspeisen. Nicht erlaubt sei hingegen der Verkauf von Insekten als Lebensmittel. Es fehle bis heute ein Beleg, dass Insekten die Gesundheit nicht gefährden.

Grosser Rückhalt im Nationalrat

Chevalley fühlte sich vom Bundesrat auf die Schippe genommen: «Wenn zwei Milliarden Menschen Insekten essen, kann es nicht ungesund sein», sagte sie sich und reichte eine weitere Frage ein. Um andere Parlamentarier von ihrer Idee zu überzeugen, servierte sie ihnen Zitronenkuchen aus Mehlwürmern und karamellisierten Grillen auf Luxemburgerli. 63 Nationalräte unterschiedlicher Parteicouleur unterzeichneten ihre Interpellation. Und prompt habe sich die Regierung offener gezeigt, sagt Chevalley zufrieden. Die Aufnahme von Insekten ins Lebensmittelgesetz werde nun geprüft. Anschliessend werde festgelegt, welche Arten die Gesundheit des Menschen nicht gefährden. Im Herbst gehe die Konsultation los. Chevalley: «Plötzlich kann es schnell gehen.»

Seeigel oder Grille auf dem Teller?

Doch das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) hält sich mit Enthusiasmus zurück: Es lägen nach wie vor keine Studien vor, die nachwiesen, dass der Verzehr von Insekten für den Menschen unbedenklich sei. So sei unklar, welche Erreger die Insekten in sich tragen könnten – bekannt sei lediglich der Zwergbandwurm, der von Mehlwürmern auf Menschen übertragen werde.

Dass der Bundesrat auf den Studien beharrt, versteht Chevalley nicht. Sie sagt, es gebe auch keine Studien, die nachwiesen, dass der Verzehr von Seeigeln ungefährlich sei. «Und trotzdem werden diese als Lebensmittel verkauft.» Ein zweiter Aspekt nährt ihre Zweifel daran, dass der Bundesrat Insekten zum Essen zulassen will: Sie dürfen auch nicht an Tiere verfüttert werden. So essen Fische Pouletmehl, aber keine Insekten. Chevalley sagt, dies sei absurd. Das BLV entgegnet: «Unsere Bedenken sind weder Ekel noch Ökologie. Wir überprüfen die Sicherheit von Lebensmitteln. Und die liegt bei Insekten nicht vor.»