Bundesrat
Warum der Sitz von Evelyn Widmer-Schlumpf trotz Atomausstieg wackelt

Bundesrätin Widmer-Schlumpfs spielte eine wichtige Rolle in der Ausstiegs-Koalition der Landesregierung. Das Problem: Ihr Engagement imponiert der Linken Seite wenig.

Christof Forster
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Wer hat in der Atom-Frage auf die richtige Karte gesetzt: Schneider-Ammann oder Widmer-Schlumpf? KEY

Wer hat in der Atom-Frage auf die richtige Karte gesetzt: Schneider-Ammann oder Widmer-Schlumpf? KEY

Hat BDP-Präsident Hans Grunder am 20. März den wackligen Sitz seiner Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf gerettet? Mit der goldenen Nase für den richtigen Zeitpunkt hat er die BDP auf Atomausstiegskurs getrimmt – als erste Partei im bürgerlichen Lager.

Diese Kehrtwende war nicht nur schick für die Galerie, sondern hatte am vergangenen Mittwoch im Bundesrat handfeste Folgen: Die Regierung hat dank Widmer-Schlumpf und Doris Leuthard ganz knapp mit 4:3 Stimmen den Ausstieg beschlossen. Jetzt wollen die AKW-Gegner diese Mehrheit nicht gleich wieder verlieren. Denn die wichtigen Entscheide zur Umsetzung der Ausstiegs-Strategie fallen in den kommenden ein bis zwei Jahren an. Doch die Ausstiegs-Koalition fällt auseinander, wenn das Parlament am 14. Dezember einen SVP-Vertreter anstelle von Widmer-Schlumpf in die Regierung wählt.

«Atom-Entscheid nicht wichtig»

Nun wird spekuliert, die AKW-kritische Haltung der BDP-Bundesrätin erhöhe ihre Wiederwahlchancen. In Widmer-Schlumpfs Umfeld gibt man sich nüchtern. Die Ausgangslage sei jetzt nicht besser als vor einem Monat. Wichtig seien die Parlamentswahlen im Herbst.

Auch Vertreter der Linken messen diesem Aspekt nur marginale Bedeutung bei. «Für mich spielt der Atom-Entscheid bei den Bundesratswahlen keine Rolle», sagt der Grüne Nationalrat Alec von Graffenried. Es werde in der Schweiz ohnehin kein neues AKW mehr gebaut. In diese Richtung äussert sich auch SP-Nationalrat Jean-François Steiert. Bei den Bundesratswahlen werde es verschiedene Szenarien geben. «Deshalb ist der Einfluss eines einzelnen Faktors – wie zum Beispiel der AKW-Frage, weniger gross.» Noch selten sei allerdings sechs Monate vor Wahlen in den Bundesrat so wenig klar gewesen, sagt Steiert.

Drei Sitze wackeln

Den Parteistrategen präsentiert sich ein verworrenes Bild, weil gleich drei der sieben Sitze gefährdet sind. Neben jenem von Widmer-Schlumpf wackeln auch die Doppelvertretungen von FDP und SP. Wenn Micheline Calmy-Rey wie erwartet auf Ende Jahr zurücktritt, bringt sie damit die SP wahltaktisch in eine ungemütliche Lage. Denn ihr zweiter Sitz würde ganz am Schluss besetzt –und wäre damit schutzlos Retourkutschen der anderen Parteien ausgesetzt. Deshalb gibt es in der SP Gedankenspiele, dass sich die Aussenministerin zwei Monate früher zurückzieht. Allerdings käme es beim Parlament gar nicht gut an, wenn die Bundespräsidentin aus rein parteitaktischen Gründen ihr Amt früher als vorgesehen ablegt.

Wahrscheinlicher als ein SP-Sitzverlust jedoch ist ein Duell zwischen Widmer-Schlumpf und Johann Schneider-Ammann. Wenn es der CVP gelingt, im Verbund mit BDP und Grünliberalen die FDP zu überholen, verlieren die Freisinnigen ihren zweiten Sitz an die SVP und die Mitte-Allianz erhält die BDP-Mitgift. Dies ist zwar nicht ganz auszuschliessen, doch eher wird es zum Ringen von SVP und FDP gegen Mitte-Links um die zweite FDP-Vertretung kommen. Siegt die Rechte, hätte sie vier Vertreter im Bundesrat.

Muss SVP weiter warten?

Oder aber es bleibt alles beim Alten: Die SVP müsste sich weiter gedulden, bis sich ihre Wählerstärke in Regierungsmacht niederschlägt. Hans Grunder hätte sein grosses Ziel erreicht und könnte sich rühmen, den Atom-Joker zum richtigen Zeitpunkt gezogen zu haben. Auf praktischer Ebene allerdings spielt die Ausstiegs-Koalition im Bundesrat fortan keine grosse Rolle mehr. Falls das Parlament auf neue AKW verzichten will, muss die Regierung diesen Entscheid ungeachtet ihrer eigenen Haltung umsetzen.