Agrarpolitik
Warum Bergbauern weniger verdienen als Talbauern

Pro Familienarbeitskraft bleibt Bauern im Tal weit mehr Geld als jenen im Berggebiet. Landwirtschaft im Talgebiet ist produktiver. Bergbauern profitieren aber auch weniger von Direktzahlungen.

Rinaldo Tibolla
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Bergbauern wenden das Heu teilweise noch immer von Hand.

Bergbauern wenden das Heu teilweise noch immer von Hand.

KEYSTONE

Rund 53 700 Franken bleiben einem Bauernbetrieb im Tal im Durchschnitt pro Familienarbeitskraft. Im höchsten Lohnbereich kann dieser Betrag in der Talregion aber auch gegen 114 600 Franken gehen. Ein Ehepaar hätte dementsprechend das Doppelte.

Im Berggebiet beträgt der Verdienst durchschnittlich 30 600 Franken pro Familienarbeitskraft – höchstens 72 200 Franken. Dies zeigen die neusten Auswertungen der landwirtschaftlichen Buchhaltungsdaten von 2012 durch die Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon.

Tierbeiträge brachten Vorteile

Eine Erklärung für die grosse Differenz ist die höhere Produktivität. Im Talgebiet kann über die Acker- oder Obst-Produktion viel mehr verdient werden. Ackerbau ist im Berggebiet nur beschränkt möglich. Gleich sieht es beim Obstbau aus.

Aber auch mit dem Direktzahlungssystem sind die Talbauern mit ihrer intensiven Viehhaltung bislang mehr honoriert worden. Hinzu kommen ihre grösseren Milchmengen. Über alle diese Faktoren konnten sie viel mehr Einkommen generieren.

«Die Tierbeiträge haben die Talregion schon sehr bevorteilt», sagt die Basler SP-Ständerätin Anita Fetz. Sie stört sich daran, dass die Direktzahlungen gegen oben nicht beschränkt werden. Ein entsprechender Vorschlag sei in der Beratung der Agrarpolitik 2014 bis 2017 abgelehnt worden mit der Unterstützung der Bergvertreter. Um in eine bessere Lage zu kommen, müssten die Bergbauern laut Fetz aber eigenständig politisieren und sich für eine Umverteilung innerhalb der Landwirtschaft starkmachen.

Gelder noch gezielter ausbezahlen

«Wenn die Bergbauern mehr bekommen, sollen die Talbauern weniger von den öffentlichen Geldern erhalten», sagt Fetz. Bislang hätten immer alle Bauern zusätzliche Zahlungen an die Landwirtschaft verlangt. «Es ist aber eine Illusion der Berg- und Hügelbauern, wenn sie glauben, dass sie dadurch mehr Geld bekommen. Es profitieren schliesslich die Talbauern», so Fetz. Die Unterstützung der Bauern habe ein Niveau erreicht, das nicht mehr mehrheitsfähig sei. «Alles in allem sind es etwa acht Milliarden Franken, welche Steuerzahler in die Landwirtschaft buttern», sagt Fetz. Zusätzlich müssten sie höhere Preise für die Produkte zahlen. «Das reicht jetzt.»

Hoffnungen setzt Fetz in die künftige Agrarpolitik (AP). Schon mit der AP 14–17 sei die Politik von den generellen Direktzahlungen weggekommen. Es seien aber noch grosszügige Übergangsbeiträge gesprochen worden. Bei der nächsten AP werde dies nicht mehr der Fall sein. Ziel müsse sein, die Direktzahlungen differenzierter und gezielter auszubezahlen.

Besser im Markt positionieren

Hansjörg Hassler, BDP-Nationalrat, Bergbauer und Präsident des Bündner Bauernverbandes, findet den Unterschied der Löhne pro Arbeitskraft von der Talregion zur Bergregion auch «massiv». Seine Hoffnungen ruhen auf der AP 14–17. Sie bringe Korrekturen, werde aber keine enormen Auswirkungen haben. «Die AP wird die Berggebiete stärken und damit die Lohn-Differenz kleiner machen», sagt Hassler. Modellrechnungen aus der Innerschweiz würden von Lohnverbesserungen für die Bergbauern von drei bis fünf Prozent ausgehen. Gleiche Schätzungen habe der Bündner Bauernverband gemacht.

Laut Hassler sind aber auch Anstrengungen der Bergbauern selber nötig: «Es kann nicht nur über das Direktzahlungssystem gehen.» Die Bergbauern müssten sich im Markt besser positionieren und auf qualitativ hochstehende Produkte setzen, wie etwa der Alpkäse oder Bergprodukte ganz allgemein. Die Zusammenarbeit mit dem Tourismus sei auch wichtig. «Gerade im Bereich des Agrotourismus haben wir noch grosses Potenzial.»