Mladic
Wann geht Mladic ins Netz?

Der Kreis wird enger: Gestern Morgen um sechs drangen ein Dutzend maskierte Spezialpolizisten in das Belgrader Haus des gesuchten Ex-Generals Ratko Mladic ein und durchsuchten das Gebäude. Die serbischen Behörden scheinen es wieder ernster zu nehmen mit der Suche.

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Der flüchtige Ratko Mladic

Der flüchtige Ratko Mladic

Keystone

Norbert Mappes-Niediek

Die Anklagebehörde des Haager Kriegsverbrechertribunals wirft dem 67-Jährigen unter anderem Völkermord an bosnischen Muslimen in Srebrenica vor. Auf Hinweise zu seiner Ergreifung haben die serbische Regierung eine Million Euro und die USA fünf Millionen Dollar ausgesetzt. Erst wenn Mladic ausgeliefert ist, ist Serbiens Weg in die EU frei.

Ziel der Aktion sei gewesen, die «Finanz- und Unterstützungsströme» für Mladic abzuschneiden und Beweismittel sicherzustellen, sagte Sonderstaatsanwalt Vladimir Vukcevic. Mladics Familie hat schon acht solche Durchsuchungen erlebt, die letzte im Dezember 2008. In der Zwischenzeit hat die Polizei im Mai im bosnischen Bijeljina und im Oktober in Novi Sad Razzien nach Ratko Mladic durchgeführt und mutmassliche Fluchthelfer festgenommen.

In dem Haus in der Blagoje-Perovic-Strasse lebt Mladics Ehefrau Bosa (62); sein 40-jähriger Sohn Darko, der im Grundbuch steht, unterhält dort Geschäftsräume. Die Polizei durchsuchte aber auch andere Wohnungen in dem Mehrfamilienhaus und fand bei einem Arzt nach unbestätigten Angaben 70000Euro Bargeld. In der Wohnung von Bosa Mladic und im Büro des Sohnes Darko beschlagnahmten die Polizisten der Familie CDs, Disketten, alte Kassetten und Tagebücher.

Warum gerade jetzt?

Über den Sinn der Aktion kursierten in Belgrad gestern nur Spekulationen: Der Zeitpunkt fällt zusammen mit dem Beginn einer Konferenz in Den Haag, die sich mit dem Vermächtnis des Tribunals und den Lehren für die Rechtsprechung der jugoslawischen Nachfolgestaaten befasst. Mladic könnte der Letzte sein, der in die
U-Haft nach Scheveningen muss. Nach dem Ende der laufenden Prozesse, spätestens 2014, soll das Tribunal geschlossen werden. Aber der Zeitpunkt macht auch polizeitaktisch Sinn: Mladics Sohn Darko war erst vorgestern Abend von einer Reise zurückgekommen.

Kein Lebenszeichen von Mladic

Anders als Radovan Karadzic, der im Juli 2008 enttarnt, gefasst und ausgeliefert wurde, hat Mladic während der letzten Jahre nie öffentlich Lebenszeichen von sich gegeben. Das letzte Interview gab er 1999. In Belgrad wird für wahrscheinlich gehalten, dass Mladic von Teilen des Sicherheitsapparats gestützt wird, die von der Regierung nicht kontrolliert werden. Auch die Umstände der Festnahme von Karadzic sind noch immer ungeklärt. Angeblich wurde der als Naturheiler getarnte Ex-Präsident der bosnischen Serben von denselben Leuten verhaftet, die ihn vorher geschützt hatten.

Nach einer Umfrage vom Dezember sind 60Prozent der Serben gegen die Auslieferung, 56Prozent halten Mladic für unschuldig.