Wenig Transparenz, zu hohe Grundgebühren, doppelte Rechnungsstellung: Die Energieversorgung Biberist (EVB) musste in den letzten Wochen viel Kritik einstecken. Ein Versuch, den Wirrwarr auf dem lokalen Strommarkt zu entflechten.
Franz Schaible
«Die Grundgebühr fällt in das Monopol des Netzbetreibers. Dies nutzt die EV Biberist schamlos aus und verrechnet je nach Tarifart eine zwischen 10 und 38 Prozent höhere Grundgebühr als alle anderen Netzbetreiber der Region.» Oder: «Ich wäre den beiden Stromlieferanten AEK Energie und EV Biberist dankbar, wenn sie sich gegenseitig absprechen könnten, wer Rechnung stellt.» Dies sind nur zwei von mehreren Leserbriefen zum Thema Stromversorgung in Biberist.
Im Vorfeld der Liberalisierung des Strommarktes entstand schweizweit viel Unruhe: Happige Preissaufschläge, neue Rechnungsstellung aufgeteilt in Kosten für die Stromlieferung, die Netznutzung und die gesetzlichen Abgaben und so weiter. In Biberist kommt hinzu, dass die Kunden wählen können zwischen der AEK Solothurn und der gemeindeeigenen EV Biberist als Stromlieferantin.
Weg durch den Tarifdschungel
Ein Blick in die Preislisten zeigt, dass es schwierig ist, einen Weg durch den Tarifdschungel zu finden. «Jeder Verteilnetzbetreiber muss seine Tarife aufgrund des entsprechenden Kundenprofils rechnen», begründet Peter Kofmel, Geschäftsführer der Energieversorgung Biberist (EVB), die teils happigen Tarifabweichungen unter den Stromversorgern in der Region. Im Netz der EVB werde in den Doppeltarifen - im Gegensatz zu anderen Gemeinden - durchschnittlich mehr Strom im Niedertarif als im Hochtarif verbraucht. Dies hänge auch damit zusammen, dass die EVB «fast keine Industriekunden» zähle.
Deshalb könnten einzelne Komponenten aus den Tarifen nicht mit anderen Netzbetreibern und Stromversorgern verglichen werden. Peter Kofmel: «Es muss die Gesamtrechnung je Kunde, basierend auf denselben Verbrauchsdaten, verglichen werden. Nur so ist ein objektiver Vergleich möglich.»
Gesagt, getan. Nach Angaben der EV Biberist verbraucht ein durchschnittlicher Einfamilienhaushalt in Biberist im Jahr rund 7900 Kilowattstunden Strom, davon 3400 im Hochtarif und 4500 im Niedertarif. Basierend auf diesem Verbrauch sind die Differenzen der Gesamtkosten und umgerechnet auf den Durchschnittspreis pro Kilowattstunde klein (siehe Tabelle). Zum selben Resultat führt ein Vergleich für einen durchschnittlichen Haushalt im Mehrfamilienhaus.
Die Wahlfreiheit für die Biberister zwischen EVB und AEK bringt also vorerst finanziell keine grossen Vorteile. Je nach Konstellation könne die Variante EVB doch «um bis zu zehn Prozent günstiger sein als die AEK», entgegnet Kofmel. Insbesondere Kunden mit einer Speicherheizung oder einer Wärmepumpe könnten beim Tarif mit Wochenendvergünstigung einiges an Stromkosten einsparen.
Die Energieversorgung Biberist (EV Biberist) wurde im September 2005 gegründet. Zuvor hatte der Biberister Souverän der Gründung des öffentlich-rechtlichen Unternehmens zugestimmt. EV Biberist erstellt und betreibt die Anlagen und Netze für die Energieversorgung und beliefert die Endverbraucher mit Strom. Damit hat die Gemeinde der für 2014 vorgesehenen Strommarktliberalisierung für Haushalte vorgegriffen. Denn die Kunden können wählen. Die Biberister können den Strom wie zuvor bei der AEK Energie oder seit dem 1. Januar 2006 bei der EV Biberist beziehen. Das gesamte Netz und die Infrastruktur ist in der Hand der Gemeinde. Inzwischen haben etliche Haushalte den Stromlieferanten gewechselt. Von den insgesamt 4474 registrierten Zählern (Stand Ende 2008) sind 1277 «Kunde» der EVB. (FS)
Überall elektronische Zähler
«Der Preisvergleich zeigt aber auch, dass alle Stromversorger und Netzbetreiber nur mit Wasser kochen», gesteht Kofmel ein. Die EVB versuche, mit ihrer Tarifgestaltung «den günstigeren Nachtstrom beliebt zu machen». Dahinter stecke auch ein ökologischer Gedanke. «Wenn der Nachtstrombedarf auf Kosten des Tagesstromverbrauchs steigt, können Stromspitzen im Netz geglättet werden, was schliesslich auch zu einer ökologischeren Stromerzeugung beiträgt.» Mit einem ähnlichen Argument und mit Investitionen ins Messwesen verteidigt Kofmel die höhere Grundgebühr pro Zähler. «Die EVB ist der landesweit erste Verteilnetzbetreiber, der flächendeckend elektronische Zähler installiert. «Damit können wir für jeden Kunden das bestmöglichste Verbrauchsverhalten bestimmen.» Auch so können die erwähnten Stromspitzen entschärft werden.
Zudem versucht Kofmel den Mehrpreis von vier Franken gegenüber der AEK zu relativieren: «Auf einen durchschnittlichen Jahresverbrauch bezogen verteuert die höhere Gebühr die Kilowattstunde um bloss 0,6 Rappen.» In einer Welt der Rappenpreise macht es eben doch etwas aus: Wegen der höheren Gebühr kostet die Kilowattstunde in unserem Beispiel 19,40 Rappen statt 18,80 Rappen oder 3,2 Prozent mehr.
Unterschiedliche Gebühren
Im Gegensatz zu anderen Stromfirmen verrechnet die EV Biberist auch unterschiedliche Grundgebühren für Einfamilienhäuser (17.50 Franken) und Mehrfamilienhäuser (14 Franken). «Die Kosten für einen Monteur sind tiefer, wenn er zehn Zähler an einem Ort betreuen muss, anstatt zehn Zähler in zehn verschiedenen Liegenschaften», sagt Kofmel. Es bleibt jedoch schleierhaft, warum das in der Region nur die EVB so handhabt. Schliesslich begründet Peter Kofmel die getrennte Fakturierung der Stromkosten (durch AEK) und für die Netznutzung (durch EVB) mit gesetzlichen Bestimmungen. Zudem hätte das Zusammenfügen der beiden Rechnungsinhalte «einen grösseren Aufwand als die getrennte Rechnungslegung zur Folge.»