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An 13 Standorten sollen am Samstag, 28. November, 450 Delegierte definitiv den neuen Namen der CVP beschliessen: «Die Mitte». Ob die Delegiertenversammlung stattfindet, ist aber unklar. Ein Antrag und eine Beschwerde wollen es verhindern.
Es ist die vielleicht wichtigste Delegiertenversammlung (DV) der Geschichte der CVP. Und die Partei plant sie generalstabsmässig. Am 28. November sollen bis zu 450 Delegierten an 13 Standorten darüber abstimmen, ob die CVP künftig «Die Mitte» heisst und mit der BDP fusioniert. Abgestimmt wird real, die Standorte sind über Video-Liveübertragung miteinander verbunden.
Nur: Ob die analog-digitale Versammlung überhaupt stattfindet, steht noch in den Sternen. Kurz vor dem Termin kam es hinter den Kulissen zu einer kleinen Revolte. Ein Antrag der CVP Oberwallis und eine Beschwerde zweier Einzelpersonen versuchen, die DV zu verhindern. Beide Dokumente liegen CH Media vor.
Die CVP Oberwallis beantragt in einem Schreiben an das CVP-Präsidium, die Versammlung zu verschieben, «sofern eine physische Durchführung nicht möglich ist», wie es im Brief heisst. Dann sei eine Diskussion «nicht in gleichem Ausmass möglich». Für die CVPO gibt es nur zwei Alternativen: Entweder ist der Saal gross genug oder die DV wird verschoben.
Noch weiter gehen die Anwälte Daniel Albietz, ein CVP-Grossrat (BS) und Silvan Ulrich, ein CVP-Politiker aus Pfeffingen (BL) in ihrer Beschwerde an das CVP-interne Schiedsgericht. Sie fordern eine superprovisorische Verfügung, die DV aufzuschieben – bis folgende Beschwerden geklärt sind:
Urabstimmung: 60,57 Prozent der Mitglieder sprachen sich für den Namen «Die Mitte» aus. Das genüge nicht, sagen die Beschwerdeführer. Für eine Statutenänderung brauche es in der Urabstimmung eine Zweidrittelmehrheit. Die Namensänderung sei damit abgelehnt worden.
Gesetzeswidrige Versammlung: Der Plan der CVP, die DV an 13 Orten durchzuführen und mit einer Videoübertragung zu vernetzen, widerspreche sowohl Parteistatuten als auch der Covid-19-Verordnung des Bundesrats. Mischformen seien nicht zulässig.
Opposition gegen den Namenswechsel kommt vor allem aus dem Oberwallis und den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft. Aber auch aus Luzern. Wie gut die Kritiker vernetzt sind, zeigt sich an der Beschwerde aus den beiden Basel. Sie erwähnt den Brief der CVP Oberwallis. Das Epizentrum des Widerstands liegt in Brig VS, im Advokaturbüro Rieder.Pfammatter.Bregy. An ihm beteiligt sind CVP-Ständerat Beat Rieder und CVP-Nationalrat Philipp Bregy.
Die beiden Parlamentarier kämpfen entschieden dagegen, das C aus der Hand zu geben. «Die Position der CVP Oberwallis ist klar und basisdemokratisch abgesegnet», sagt Ständerat Rieder. «Wir sind gegen den Namenswechsel.» Mehr will er nicht sagen. Er verweist an Präsidentin Franziska Biner. Sie meldet sich aber nicht, trotz mehrfacher Nachfrage.
Im Brief heisst es, die CVP Oberwallis verzichte trotz der vielen Rechtsunsicherheiten um den Namenswechsel darauf, ein neutrales Rechtsgutachten einzufordern. Der Rechtsstreit würde die CVP «weiter schwächen». Die CVPO beantragt aber eine «schriftliche und geheime» Abstimmung – sofern die DV überhaupt stattfindet.
Im Oberwallis ist der Widerstand breit abgestützt. In Basel-Stadt und Baselland sind Albietz und Ulrich eher Einzelkämpfer. Albietz hatte die CVP Basel 2015 verlassen – und war 2017 wieder eingetreten. «Die Namensfrage ist von grundsätzlicher Bedeutung», sagt er. «Es braucht einen sauberen Prozess und nicht derart überstürzte und statutenwidrige Entscheide.»
Das Oberwalliser und Basler Netzwerk besteht aus wertkonservativen Politikern, die kritisch zur Ehe für alle stehen und eher gegen Abtreibungen sind. Dass ausgerechnet Weggefährte Gerhard Pfister das C über Bord wirft, trifft sie hart.
«Zu Beginn seiner Präsidentschaft hat er das C mit grosser Vehemenz vertreten», sagt der Baselbieter Anwalt Ivo Corvini, Präsident des Landeskirchenrats. «Dass er als Aushängeschild der wertkonservativen C-Politik das C mit noch grösserer Vehemenz weggeben will, ist eine grosse Enttäuschung. Vor allem ist es völlig widersprüchlich und deshalb nicht glaubwürdig.»
Auf dem linken Flügel politisiert Albert Schwarzenbach, Vertreter des «Luzerner Komitees für ein C». «Das C ist ein Erfolgsmodell», sagt der ehemalige Präsident des Luzerner Stadtparlaments. Er werde den neuen Namen ablehnen. Die CVP habe die Statuten in Sachen Urabstimmung inzwischen so interpretiert, «dass jeder Delegierte frei entscheiden kann».
Die Turbulenzen kurz vor der DV überraschen CVP-Präsident Gerhard Pfister nicht. Es sei «legitim», die rechtlichen Mittel einzusetzen, welche die Partei vorsehe. Er betont aber, das Präsidium habe sich im Strategieprozess juristisch begleiten lassen: «Jeder Schritt ist juristisch abgeklärt.»
Er engagiere sich zwar persönlich in dieser wichtigen Namensdiskussion, sagt Pfister. «Ich bin aber sehr gelassen, übe keinen Druck aus, nehme keinen Entscheid vorweg.» Die Diskussion schade der CVP nicht, wie die letzte GfS-Parteienumfrage gezeigt habe. Die CVP legte von 11,4 auf 11,9 Prozent zu.
Was geschieht, wenn «Die Mitte» die Zweidrittelhürde nicht schafft? «Dann ist die Fusion mit der BDP in dieser Form vom Tisch», sagt er. «Die Ausgangslage ist dann offen.» Pfister wäre aber nicht Pfister, hätte er keinen Plan B. Gut möglich, dass dann «Mitte»-Befürworter Beschwerden führen.