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Schweiz
In der Corona-Krise macht der Bundesrat bisher sehr vieles sehr richtig - und kann, wenn er so weitermacht, das Vertrauen der Bevölkerung in die Demokratie und in die Institutionen nachhaltig stärken.
Kürzlich in der Stadt. Vier mittelalterliche Spaziergänger, die in zwei Meter Abstand nebeneinander durch die Fussgängerzone gehen. Der Auftritt an eine Szene aus einem Italo-Western: Der Aufmarsch zum Showdown.
Was sich hier abspielt, ist Ausdruck des gegenwärtigen Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger in die Demokratie, in die Behörden. Am Freitag hat der Bundesrat den Schweizerinnen und Schweizern dringend nahegelegt, sie müssten zwei Meter Abstand halten. Jetzt halten sich die meisten respektvoll daran.
Demokraten wie die freiheitsliebenden Schweizerinnen und Schweizer sind naturgemäss kein sehr folgsames Volk. Sie dulden keinen König, Befehle und Anweisungen von «oben» lösen einen Abwehrreflex aus.
Doch jetzt gehorcht die Schweizer Bevölkerung dem Bundesrat und seinen Experten. Und sie tut es meist sogar aus freien Stücken und ohne zu Murren.
Der Bundesrat, sonst für viele eine unbekannte Grösse, ist plötzlich wichtig geworden für die Bewohnerinnen und Bewohner dieses Landes, ob Schweizer oder Ausländer. Auf einen Schlag interessiert, was Gesundheitsminister Alain Berset und die anderen sechs zu sagen haben. Leute, die nie im Leben daran dachten, sich für Politik zu interessieren, warten auf Medienkonferenzen wie vorher auf Fussballspiele und kennen das Regierungspersonal und Experten wie Daniel Koch plötzlich mit Namen. Auf einen Schlag ist der Bundesrat und seine sichtbare Entourage zu einer Art «Superstar» geworden. Die Parteizugehörigkeit spielt plötzlich keine Rolle mehr.
Natürlich: In der Krise rücken Land und Leute immer zusammen. Das ist auch in den anderen Ländern zu beobachten, die unter Corona leiden. Tatsache ist auch, dass das Vertrauen der Bevölkerung in den Bundesrat zuletzt schon vergleichsweise hoch war. Auf einer Skala von 1 «kein Vertrauen» bis 10 «volles Vertrauen» bekommt der Bundesrat in Studien der ETH Zürich seit fünf Jahren eine 7 oder mehr. Das war nicht immer so, 2010 und 2011 etwa sank dieser Wert unter 6.
Aber ein Selbstläufer ist die derzeitige Glaubwürdigkeit des Bundesrats nicht – und sie kann durch einen Fehlentscheid oder mangelnde Sensibilität auch schnell verspielt werden und ins Gegenteil verkehren. Und der jetzige Bundesrat arbeitet zwar unauffälliger und langweiliger als viele frühere Zusammensetzungen. Er war in mancher Hinsicht eher eine graue Maus. Aber er wirkt jetzt in der Krise vielleicht gerade deshalb besonnen und ruhig. Die Bevölkerung erwartet jetzt in erster Linie, dass das Kollegium arbeitet, ihre Sorgen begreift, verständlich und offen kommuniziert und schnell wirksame Lösungen bringt. Der aktuelle Bundesrat, mit unspektakulären Leuten wie Viola Amherd, Ueli Maurer, Guy Parmelin besetzt, wirkt nicht intellektuell abgehoben – auch das schafft bisher Vertrauen und Glaubwürdigkeit.
In der ersten Phase der Krise zählt das, was der Bundesrat tut. Und nicht das, was das Parlament macht, ob es tagt oder nicht. «Regierung und Parlament haben verschiedene Rollen», sagt der Mitarbeiter eines Regierungsmitglieds, «in dringenden Notsituationen erwartet das Volk, dass der Bundesrat Führung übernimmt und handelt.» Darum werde der Bundesrat schliesslich auch Exekutive genannt – die ausführende Gewalt im Staat. Im Unterschied zum Parlament, der Legislative. Sie ist dazu da, Gesetze zu machen. Tatsächlich nehmen sich die meisten Parlamentarier denn auch zurück in dieser Phase. Sie stellen die sonst übliche Parteipolitik ein.
Am Freitag, noch vor dem Wochenende, hat der Bundesrat nach diesem Muster geliefert: Indem er ein schnelles und unkonventionelles, über 40 Milliarden schweres Nothilfepaket für alle Notleidenden ankündigte. Für Unternehmen, aber auch für jeden einzelnen Menschen, dem Erwerbsausfall droht. Für viele Betroffene war diese Ankündigung eine enorme Entlastung, sie waren einen Teil ihrer belastenden Sorgen auf einen Schlag los. Aussagen wie jene von von Ueli Maurer waren enorm beruhigend: Was auch komme, sagte der Finanzminister, «wir lösen die Probleme, das ist doch klar».
Erstmals seit langen wissen viele Leute, gerade Jugendliche, warum der Bundesrat da ist, warum es Regierungen braucht. Und warum es wichtig ist, welche Persönlichkeiten in den Exekutiven sitzt. Nicht Blender und Spaltpilze gehören in diese Kollegien, sondern gewissenhafte Leute, die zusammenarbeiten können, das Volk ernst nehmen und die das Beste geben wollen, wenn es darauf ankommt.
Die Folge der Krise und der Handlungsweise des Bundesrats, seiner Experten kann sein, dass sich das zuletzt unsichere Verhältnis vieler Leute zu Staat und Politik nachhaltig positiv verändert und dass die Demokratie gestärkt wird. Wenn die Regierung die Krise weiterhin mit Augenmass, gerechten und verständlichen Massnahmen und mit ständiger Kommunikation meistern kann. Und wenn sie Versprechen, wie Ueli Maurer sie gab, auch wirklich halten können.