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Der Swiss-Chef kämpft in der Corona-Krise für das Überleben der Lufthansa-Tochter. Dabei fordert er auch Schweizer Steuergelder als Überbrückungshilfe. Ein gewiefter Schachzug könnte ihm nun helfen.
Und plötzlich geht es um das Überleben der Firma. Als der Franke Thomas Klühr 2016 als neuer Swiss-Chef auf Harry Hohmeister, wurde er mancherorts als «Statthalter» verschrien. Denn Hohmeister wechselte in den Lufthansa-Vorstand. Und so gab es die Befürchtung, auch beim Personal, dass die Swiss an Eigenständigkeit verlieren würde und Klühr bloss zum Befehlsausführenden würde.
Die Unkenrufe verschwanden bald. Dabei hilft, dass die Swiss unter Klühr äusserst erfolgreich arbeitet und Gewinne einfliegt, über welche die Konkurrenz nur staunen kann. Auch die Stimmung bei der Crew hat sich seit seinem Amtsantritt verbessert. Abgesehen von den technischen Problemen im vergangenen Jahr mit den neuen A220-Maschinen hatte Klühr bisher mit relativ wenig Turbulenzen zu kämpfen. Doch nun ist Klühr plötzlich der Mann, der das Überleben der Swiss sichern muss.
Am Donnerstag trat er erstmals seit dem Ausbruch der Corona-Krise vor die versammelten Medien, wenn auch nur per Onlinevideo, da die Pressekonferenz vor Ort in Kloten abgesagt werden musste.
Der für seine besonnene Art bekannte Klühr blieb auch in seiner bisher anspruchsvollsten Pressekonferenz ruhig. Seine Augen waren sichtlich müde, doch der 57-Jährige fackelte nicht lange um den heissen Brei. Der Gewinn des Vorjahres, um den es eigentlich bei einer Bilanzmedienkonferenz vor allem geht, war nur kurz ein Thema. Der Rekordwert aus dem Vorjahr, 636 Millionen Franken, wurde mit 578 Millionen wegen höherer Wartungs- und Treibstoffkosten nicht mehr erreicht. Beachtlich ist das Resultat dennoch.
Den Rest seiner Präsentation widmete Klühr den Folgen der Corona-Krise. Und der Deutsche sprach Klartext: «Wir können eine temporäre Betriebseinstellung nicht mehr ausschliessen.» Die Schwester-Airlines aus dem Lufthansa-Konzern, Austrian und Brussels, haben diesen Schritt bereits getan.
Seit Krisenbeginn wurden 5800 Flüge gestrichen, betroffen sind 57000 Kunden. Diese Woche hatte die Swiss ihre Kapazitäten auf 80 Prozent heruntergefahren. Und ab Montag werden es gar 90 Prozent sein. Heisst übersetzt: Im Einsatz bleibt eine Langstreckenmaschine und fünf Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge. «Es ist ein absoluter Mini-Flugplan», sagt Klühr. Man wolle den Anschluss der Schweiz und den Betrieb der Swiss so lange wie möglich auf einem Minimum aufrechterhalten. «Die Situation kann sich aber sehr rasch ändern.» Auf der Langstrecke bedient die Swiss ab Montag nur noch New York, um Amerikaner und Schweizer in ihr Heimatland zurückzufliegen.
«Ich habe in meiner Aviatik-Karriere schon einige Krisen erlebt, wie Sars oder 9/11», sagte Klühr. Der grosse Unterschied bei der Corona-Krise sei aber die unglaubliche Dynamik und Unsicherheit. «Überall auf der Welt werden unterschiedliche Regulationen zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgesprochen, die wir quasi im Stundentakt überprüfen müssen, zum Wohle unserer Crew und unserer Kunden.» Der Krisenstab funktionere in diesen anspruchsvollen Zeiten sehr gut. Man treffe sich drei Mal die Woche, oder sogar täglich, und oft auch nur via Onlinevideo-Dienste. Und wie viel Schlaf bleibt momentan? «Schlaf ist jetzt sicher nicht das grosse Thema.» Betriebschef Thomas Frick sprach von einer Krisenführung «fast wie im Krieg». Dabei helfe, dass so manche Angestellte Militärdienst geleistet haben.
Klühr wiederholte seine Forderung nach Staatshilfe. Ohne diese werde es kaum gehen, so wie auch bei allen anderen Airlines nicht. Dabei betonte er die Swissness der Lufthansa-Tochter. «Die Swiss ist ein Schweizer Unternehmen, das ihren Steuersitz hier hat und über 9000 Angestellte zählt, von denen 93 Prozent hier leben.»
Kurzarbeit hat die Swiss bereits beantragt. Die Einführung der neuen «Premium Economy»-Klasse und die Einflottung neuer Flugzeuge ist verschoben. Flugausbildungen sind eingestellt. Einen staatlichen Rückkauf durch die Schweiz, so wie es SVP-Nationalrat Thomas Matter zuletzt gefordert hatte, schliesst Klühr indes aus. «Die Swiss war in den vergangenen Jahren nur so erfolgreich, weil sie Teil des Lufthansa-Netzwerks war.» Alleine wäre die Swiss nicht überlebensfähig, so Klühr.
Den mehreren Nachfragen, wie eine temporäre Staatshilfe für die Sicherung der Liquidität konkret aussehen könnte, zum Beispiel in Form eines Überbrückungskredits oder einer Beteiligung des Bundes, wich Klühr aus. Immerhin räumte er ein, dass man mit der Lufthansa in Gesprächen sei, ob vom letztjährigen Gewinn nach wie vor Dividenden nach Frankfurt fliessen sollen angesichts des Staatshilfegesuchs in der Schweiz.
Bemerkenswert ist, dass die Swiss vor wenigen Tagen - mitten in der Krise - mit Markus Binkert und Thomas Frick zwei Schweizer in die Geschäftsleitung berufen hat. Zuvor war es ein rein deutsches Management. Dies könnte ein geschickter Schachzug sein für die Gespräche in Bern. Denn bei diesen Verhandlungen dürfte sehr wohl eine Rolle spielen, ob die Swiss auf Hochdeutsch oder in Mundart nach Schweizer Steuergeldern verlangt.