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Schweiz
Jonas Fricker war nicht der erste Parlamentarier, der sich einen Nazi-Ausrutscher leistete. Viele seiner Vorgänger hielten eine Entschuldigung indes nicht für nötig.
Verharmlosungen des Holocausts häufen sich in der Schweizer Politik. 1997 erhielt SVP-Nationalrat Christoph Blocher von einem Auns-Mitstreiter ein Buch des Holocaust-Leugners Jürgen Graf zugeschickt. Blocher schrieb zurück: «Ganz besonders habe ich mich über die Schrift ‹Vom Untergang der Schweizerischen Freiheit› von Jürgen Graf gefreut. Wie recht er doch hat.» Der Auns-Mann schickte das Dankesschreiben weiter an Graf, dort wurde es im Zusammenhang mit einem Strafverfahren gegen Graf von der Polizei beschlagnahmt. Im fraglichen Buch bestritt Graf die Existenz von Gaskammern im Zusammenhang mit der planmässigen Massenvernichtung von Juden. Blocher gab 1999 gegenüber dem «SonntagsBlick» an, er erinnere sich nicht an seinen Brief, er habe nie eine Schrift von Jürgen Graf gelesen. «Ich distanziere mich klar vom Rechtsextremismus, vom Rassismus und von den Holocaust-Leugnern.» Entschuldigt hat sich Blocher nicht. Er sprach von einer «Schmutzkampagne» der Medien.
Blocher griff mehrfach zu Nazi-Vergleichen. Erst im April 2016 sagte er in einem Interview: «Der Kampf gegen die SVP vonseiten der Staatsmedien und von Blick bis zur NZZ hat mich in ihrer Radikalität an die Methoden der Nationalsozialisten den Juden gegenüber erinnert.» Der Israelitische Gemeindebund reagierte: «Leider werden solcherlei Vergleiche, die die nationalsozialistische Judenverfolgung banalisieren, immer wieder geäussert.» Blocher entschuldigte sich nicht.
In einer Kommissionssitzung leistete sich 2008 Bundesrat Pascal Couchepin (FDP) einen «Versprecher». Er sprach über den Nazi-Arzt Mengele, sagte aber Mörgele. Couchepin entschuldigte sich später «bei allen Bürgerinnen und Bürgern, die von dieser Aussage sehr betroffen sind.»
2014 warf BDP-Präsident Martin Landolt der SVP im Zusammenhang mit Initiativplänen zum Asylrecht «braune Tendenzen» vor. Die SVP tobte, Präsident Toni Brunner verweigerte Landolt demonstrativ den Handschlag.
2013 zeigte ein TV-Dokfilm, dass SVP-Nationalrat Oskar Freysinger über seinem Schreibtisch die Reichskriegsflagge hängen hatte, die als Erkennungszeichen für Neo-Nazis gilt. Es folgte eine öffentliche Kontroverse, ohne Folgen für Freysinger, der immer wieder mit Extremen kokettierte.
Historiker und alt Nationalrat Jo Lang (Grüne) sagt: «Dass sich Freysinger derartige rechtsextreme Ausfälle so lange leisten konnte, ohne dass er öffentlich zur Rechenschaft gezogen wurde, ist im Nachhinein unverständlich.» Lang war es, der seinen Parteikollegen Fricker nun hart kritisierte für seinen Holocaust-Vergleich. Dass Fricker im Unterschied zu anderen die Konsequenzen zog, rechnet ihm Lang hoch an: «Ich zolle Jonas Respekt für seine Entscheidung und seine Erklärung.»