Mit Roger Köppel in Zürich und Magdalena Martullo-Blocher in Graubünden kandidieren am 18. Oktober zwei prominente Quereinsteiger in den Reihen der SVP für den Nationalrat. Wer hat bessere Chancen auf das politische Erbe von Christoph Blocher?
Sie will jetzt also doch: Magdalena Martullo-Blocher, Chefin des Industriekonzerns Ems Chemie und Tochter von alt Bundesrat Christoph Blocher, kandidiert für die Bündner SVP als Nationalrätin. Neben «Weltwoche»-Verleger und -Chefredaktor Roger Köppel, der im Kanton Zürich antritt, ist sie die zweite prominente Quereinsteigerin der Partei.
Doch wer von den beiden ist befähigter, dereinst in die Rolle von Vordenker Christoph Blocher zu schlüpfen und der nationalen SVP die Richtung zu weisen? Ein Duell in drei Spielzügen.
Auch wenn noch nicht geklärt ist, welche Position er auf der zürcherischen SVP-Liste einnehmen wird: Köppel ist so gut wie gewählt. Um Platz für ihn zu schaffen, wurden und werden altgediente Parteigrössen zum Rücktritt auf das Legislaturende hin gedrängt. Der 68-jährige Toni Bortoluzzi und der 67-jährige Max Binder haben bereits eingewilligt, der 68-jährige Hans Fehr ziert sich noch.
Doch selbst wenn Köppel aus Rücksicht auf verdiente Parteimitglieder nicht von einem der vordersten Plätze aus starten sollte, wird er diese dank zahlreicher Stimmen von Wählern, die andere Listen einlegen, locker überholen. Denn manch einer wird sich denken: Ein Köppel tut Bundesbern ganz gut.
Deutlich schlechter stehen im Vergleich die Wahlchancen von Martullo-Blocher. Heinz Brand, bisher einziger Bündner SVP-Vertreter in Bern, tritt erneut an. Auch wenn der Asyl-Hardliner in seinem Heimatkanton nicht allzu beliebt ist, dürfte er etwas bessere Karten haben als Martullo-Blocher.
Viele sehen in ihr die Zürcherin, die trotz ihrem jahrelangen Wirken als Chefin der in Domat/Ems beheimateten Ems Chemie wenig Berührungspunkte mit Graubünden aufweist und in der dortigen Gesellschaft schlecht verankert ist. Die Chancen der SVP, mit Martullo-Blocher einen zweiten Sitz hinzuzugewinnen, sind intakt, aber überschaubar: Gehen FDP, CVP und BDP eine Listenverbindung ein, wird es kaum reichen.
1:0 für Köppel.
Köppel kaufte die «Weltwoche» 2006 vom blochernahen Investor Tito Tettamanti. Auch wenn ihm der Tessiner das Wochenblatt zum Freundschaftspreis überliess, dürfte Köppel einen hohen einstelligen Millionenbetrag aufgeworfen haben. Weil unklar blieb, woher der Journalist dieses Geld hatte, munkelte manch einer, Blocher habe als Geldgeber im Hintergrund die Fäden gezogen – eine Unterstellung, die Köppel stets zurückwies. Er habe sich hoch verschulden müssen, um sich das Magazin leisten zu können.
Auch wenn stimmen sollte, was der hauseigene Medienkolumnist kürzlich schrieb, und die «Weltwoche» seit der Übernahme Köppels erfreuliche Zahlen schreibt: Bei der SVP kann der 50-Jährige nicht mit seinem Vermögen punkten. Für die Partei sind vielmehr seine publizistische Macht und sein strategisches Denkvermögen attraktiv.
Martullo-Blocher hingegen kann der Partei in Zukunft als Geldgeberin dienlich sein. Über eine Holding-Gesellschaft gehören der 45-Jährigen und ihrer jüngeren Schwester Rahel Blocher rund 60 Prozent des florierenden Milliardenkonzerns Ems Chemie, als CEO und Grossaktionärin erhielt sie im vergangenen Jahr 85 Millionen Franken an Dividenden. Wenn Vater Blocher dereinst sterben wird, wird sie als eines von vier Kindern überdies einen beträchtlichen Teil des Vermögens erben. Selbstverständlich wüsste die SVP gerne über den Tod des 74-jährigen Patrons hinaus eine finanzielle Absicherung in ihren Reihen.
1:1-Ausgleich durch Martullo-Blocher.
Köppel füllt seit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative mit seinen Vortragsreihen landauf, landab die Hallen, gleichzeitig wird er seiner geschliffenen Ausdrucksweise wegen in deutschen TV-Talkshows gerne als Schweizer Vertretung eingeladen. Noch gelingt es ihm nicht gleich gut wie Vorbild Blocher, sowohl bei der intellektuellen Elite als auch beim SVP-Puurezmorge anzukommen – doch Köppel ist mit den Jahren nahbarer geworden.
Nicht zu unterschätzen ist die Emotionalität, die ein jeder mit seinem Namen verbindet: Provokateur Köppel lässt niemanden kalt. Das bringt im Wahlkampf wertvolle Aufmerksamkeit.
Der Führungsstil von Martullo-Blocher, die bereits mit 34 Jahren Konzernchefin wurde, gilt als geradezu legendär autoritär, ihre Sozialkompetenz als verbesserungswürdig. Ihr unternehmerischer Erfolgsausweis ist beeindruckender als ihre Herzlichkeit. So muss es für sie auch kein Vorteil sein, dass sie den grössten privaten Arbeitgeber im Kanton Graubünden anführt: Ob ihr am 18. Oktober alle ihre Untergebenen die Stimme geben, erscheint zweifelhaft.
2:1 für Köppel.
Beide – Köppel wie Martullo-Blocher – versuchen weiszumachen, nicht aus freien Stücken in die Politik einsteigen zu wollen, sondern einem Auftrag zu folgen: Der eine will die ganze Schweiz, die andere zumindest das hiesige Unternehmertum retten.
Der Mann unter den Papabili hat bessere Chancen, es wenigstens versuchen zu dürfen. Die Rolle Christoph Blochers alleine ausfüllen werden beide nicht können. Zu raten wäre eine Aufgabenteilung: Martullo-Blocher alimentiert die Parteikasse, Köppel legt die Strategie fest.