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Kein Licht, Ausweichen auf das Trottoir, Ignorieren von Rotlichtern: Nationalrat Gregor Rutz beobachtet eine Sittenverluderung bei Velofahrern – und schlägt repressive Massnahmen vor. Für den Verband Pro Velo schiesst er aber über das Ziel hinaus.
Wer regelmässig in der Stadt unterwegs ist, kennt solche Szenen: Manche Velofahrer foutieren sich um Rotlichter, flitzen haarscharf an Fussgängern vorbei, weichen aufs Trottoir aus oder pedalen durch Einbahnstrassen. Nichts Neues unter der Sonne.
SVP-Nationalrat Gregor Rutz, oft als Fussgänger und Autofahrer in der Stadt Zürich unterwegs, hat in den letzten Jahren aber einen veritablen Sittenzerfall festgestellt. Will heissen: eine Zunahme an Velorowdys. «Abends auf dem Heimweg, wenn es schon dunkel ist, sehe ich regelmässig Velofahrer, die ohne Licht unterwegs sind. Das ist lebensgefährlich», sagt er. Und als Fussgänger werde man auf Trottoirs regelmässig fast über den Haufen gefahren.
In einer soeben eingereichten Motion fordert Rutz, die Verkehrsregeln bei Velofahrern besser durchzusetzen, als Ergänzung zum Programm «Via sicura». Neun Parteikollegen und -kolleginnen haben den Vorstoss mitunterzeichnet. Rutz schlägt vor, dass notorische Sünder als Ultima Ratio das Gefährt abgeben, dass sie eine Fahreignungsprüfung absolvieren müssen oder mit einem Velofahrverbot bestraft werden. Auch sollen die Bussen bei gleichen Regelbrüchen gleich hoch ausfallen wie bei Autofahrern. Zum Vergleich: Das Missachten eines Rotlichts kostet einen Velofahrer 60, einen Autofahrer 250 Franken.
Rutz möchte die Velos sodann mit einer Nummer ausstatten, damit man die fehlbaren Fahrer identifizieren kann. Er sagt:
Die tiefen Bussen, aber auch die fehlenden Kontrollen animieren geradezu zur Missachtung der geltenden Verkehrsregeln
Der Boom bei den E-Bikes habe das Problem noch verschärft. Sie würden oft zu schnell fahren, müssten aber keine Konsequenzen fürchten. Rutz fordert den Bund auf, mit Kantonen und Städten geeignete Massnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit zu erarbeiten.
Christoph Merkli, Geschäftsführer von Pro Velo Schweiz, begrüsst es grundsätzlich, dass Rutz Vorschläge für mehr Verkehrssicherheit unterbreitet. «Mit einigen Verschärfungen gegen Velofahrer schiesst er jedoch über das Ziel hinaus.» Merkli verneint nicht, dass einzelne Velofahrer bisweilen Regeln brechen oder Fussgänger nerven. Von einer generellen Verluderung der Sitten könne aber keine Rede sein. Von Autofahrern gehe ein viel höheres Gefahrenpotenzial aus, ergänzt er. Bei rund drei Viertel der Kollisionen zwischen Velo- und Autofahrern seien Autofahrer schuld. Gleich hohe Bussen für Velofahrer hält Merkli wegen des geringeren Gefährdungspotenzials für falsch. Dass zu schnelle E-Bike-Fahrer gebüsst werden sollen, findet er hingegen richtig.
Parallel zu den Verkaufszahlen sind auch die E-Bike-Unfallzahlen gestiegen. Mit 12 Toten und 309 Verletzten kam es letztes Jahr zu einem neuen Höchststand, wie die Beratungsstelle für Unfallverhütung (bfu) kürzlich mitteilte. Die bfu hat zusammen mit der Versicherung Axa eine Sensibilisierungskampagne lanciert, in der die E-Bike-Fahrer unter anderem auf die längeren Bremswege wegen des hohen Tempos aufmerksam gemacht werden. Schnelle E-Bikes erreichen rund 45 km/h. Das Bundesamt für Strassen prüft derweil verschiedene Massnahmen zur Verbesserung der Sicherheit, etwa ein Licht-Obligatorium oder eine Tachopflicht für schnelle E-Bikes.
Und wer ist jeweils verantwortlich, wenn Velofahrer und Fussgänger zusammenstossen? Gemäss bfu waren es in den letzten vier Jahren in jeweils etwas mehr oder weniger als zwei Dritteln der Fälle die Velofahrer. Im letzten Jahr ereigneten sich 50 schwere Kollisionen zwischen Velofahrern und Fussgängern. Ein Fussgänger erlitt dabei tödliche Verletzungen. Schwere und leichte Verletzungen trugen 42 Fussgänger davon, bei den Velofahrern waren es 27.