Um die Veröffentlichung eines kritischen Berichts zu verhindern, erklärte die Chefetage der Uni Zürich den fertigen Bericht nachträglich zum Entwurf. Damit hebelte das Rektorat sogar das Öffentlichkeitsprinzip aus.
Aufgrund eines Hinweises aus Hochschulkreisen hatte sich die Nordwestschweiz bereits Mitte Juli nach dem im «Tages-Anzeiger» von gestern zitierten Jahresbericht 2011 des Medizinhistorischen Instituts erkundigt. Doch die Universität behauptete, der Bericht sei in Bearbeitung. Das stimmte damals genauso wenig wie heute. Der Bericht war bereits Anfang Jahr vom Leiter des Instituts, Professor Flurin Condrau, fertiggestellt worden. Zudem schrieb die Kommunikationsstelle der Uni, die Berichte seien «für den internen Gebrauch» – und das, obschon sie Jahr für Jahr fein säuberlich auf den Homepages der verschiedenen Institute landen.
Am 25. Juli stellte die Nordwestschweiz ein Gesuch um Informationszugang, gestützt auf das im Kanton Zürich gültige Öffentlichkeitsprinzip. Doch statt das Gesuch innerhalb von 30 Tagen zu bearbeiten, blieb es bei der Medizinischen Fakultät liegen. Auf Nachfrage schrieb am 30. August der Stabsleiter des Dekans, Christian Schirlo, zum Gesuch: «Wir werden dessen Bearbeitung an die Hand nehmen und uns sobald als möglich melden.» Noch immer hatte die Universität damit weder den gesetzlichen Informationszugang geschaffen noch schriftlich verweigert. Eines von beiden hätte sie aber gemäss Gesetz tun müssen.
Über Monate ein «Entwurf»
Auf eine erneute Nachfrage sieben Tage später meldete sich eine Sylvia Läng, Event-Managerin der Uni: Der Bericht sei in Bearbeitung, die finalisierte Fassung liege Mitte Oktober 2012 vor. «Zum jetzigen Zeitpunkt liegt dieses Dokument erst in einer Entwurfsfassung vor und gilt als solche nicht als Information im Sinne des Informations- und Datenschutzgesetzes (IDG)», schrieb Läng.
Doch wie kann ein Bericht erst in der Entwurfsfassung vorliegen, wenn ihn der verantwortliche Autor, Flurin Condrau, bereits Anfang des Jahres abgeschlossen hat? Condrau selber schrieb dem Journalisten am 17. Juli: «Selbstverständlich habe ich meinen akademischen Bericht 2011 ordnungsgemäss zu Händen der Universitätsleitung fertiggestellt.»
Die Chefetage der Uni hat den fertigen Bericht also nachträglich zum Entwurf erklärt, damit sie ihn nicht veröffentlichen muss. Sie hat damit nichts anderes getan, als das im Kanton Zürich seit 2008 geltende Öffentlichkeitsprinzip aus den Fugen zu heben. Denn das sagt: Jede Information einer staatlichen Stelle (und das gilt auch für die Universität Zürich) ist grundsätzlich öffentlich zugänglich. Es sei denn natürlich, man tut so, als sei die Information nie fertiggestellt worden. Dass die «Bearbeitung» so lange dauert, überrascht zudem nicht: Wie aus gut informierten Kreisen zu vernehmen war, weigert sich Condrau, den von ihm verfassten Bericht zu verändern. Es heisst, der Institutsdirektor stehe nach wie vor zum Inhalt seines Berichts trotz Druckversuchen der Universitätsleitung.
«Probleme» waren bekannt
Doch warum lag der Universität so viel daran, das «Dossier Mörgeli» zu verheimlichen? Das Hochschulamt, im Kanton Zürich in der Bildungsdirektion Bindeglied zur Universität, bestätigt, Kenntnis vom umstrittenen Bericht gehabt zu haben.
Amtschef Sebastian Brändli sagt dazu auf Anfrage: «Wir haben seinerzeit von Problemen im Bereich des Medizinhistorischen Instituts erfahren, auch von den Fragen im Umgang mit dem akademischen Bericht.» Da Christoph Mörgeli eine öffentliche Person sei, habe er auf die Brisanz der Veröffentlichung hingewiesen, so Brändli. Die Behandlung des IDG-Gesuchs der Nordwestschweiz, die den Bericht verlangt hatte, liege aber allein in der Kompetenz der Universität.
Uni: Die Leute waren in den Ferien
Die Universität Zürich stellt sich derweil auf den Standpunkt, sie habe richtig gehandelt. Anstelle des ferienhalber abwesenden Rektors antwortet der Medienbeauftragte Beat Müller: «Aus Sicht der Universität Zürich handelt es sich beim Bericht nicht um eine Information im Sinne des IDG», bekräftigt Müller die universitäre Haltung. Die Bearbeitung des Gesuchs sei nicht absichtlich verzögert worden, es seien verschiedene Personen in den Ferien gewesen.
Zudem will der Rektor nicht involviert gewesen sein, da das Gesuch an die Medizinische Fakultät gegangen sei. Müller versprach jedoch, der Rechtsdienst werde eine anfechtbare Verfügung erstellen – wie dies seit dem 25.Juli gewünscht war.
Nicht bekannt ist übrigens, ob auch die zuständige Regierungsrätin Regine Aeppli (SP) von den Vorwürfen des umstrittenen Jahresberichts an Mörgeli wusste. Ihre Bildungsdirektion antwortete gestern nicht auf die an sie gerichteten Fragen.